Wie Gletscher gleiten

Jan Oliver Löfken

Foto einer Küstenregion: Am linken unteren Bildrand sind weiße Gletschermassen erkennbar, am oberen Rand das Meer

Lucas Zoet

Mit zunehmender Erderwärmung gleiten Gletscher immer schneller vom Festland der Antarktis oder von Grönland ins Meer. Geschmolzen sind die gigantischen Eismassen wesentlich für den Anstieg des Meeresspiegels verantwortlich. Forschern gelang es nun, das Verhalten gleitender Gletscher abhängig vom Untergrund genauer zu erfassen. Wie sie in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, könnte ihr universelles Gesetz zu besseren Modellen für das Abschmelzen der Gletscher und den darauffolgenden Meeresspiegelanstieg führen.

Da sich die oftmals Hunderte Meter dicken Gletscher in der Antarktis oder auf Grönland nur sehr schwierig untersuchen lassen, haben Lucas Zoet und Neal Iverson von der Iowa State University in Ames das Verhalten von Gletschern nun im Labor nachgestellt. In einem speziellen Kühlschrank ließen sie Eisstücke auf einer verformbaren Unterlage aus Sand und Geröll – analog zum Untergrund der Antarktis – gefrieren. Auf diese Eisstücke übten sie mit einer Hydraulikpresse sehr hohe Drücke aus, die der tonnenschweren Belastung von echten Gletschern entsprechen sollten. Die Eisstücke bewegten sie anschließend mit einem Motor über die Geröllschicht – mit typischen Geschwindigkeiten von bis zu 500 Metern pro Jahr.

Der Wissenschaftler lehnt sich an eine tonnenartige Maschine, die ihm ungefähr bis zur Hüfte reicht.

Neal Iverson

Die Experimente zeigten den komplexen Zusammenhang zwischen hohem Druck, verformbarer Unterlage und Reibung. Glitt der Gletscher sehr langsam, verformte sich der Untergrund unter dem hohen Druck und es bildeten sich unter dem Gletscher stationäre, mit Wasser gefüllte Hohlräume. Mit zunehmender Geschwindigkeit bewegten sich – zusätzlich zur Verformung des Untergrunds – auch die kleinen Wasserspeicher und erleichterten so als Schmiermittel das Gleiten des Gletschers. Den Wechsel zwischen diesem Gleitverhalten beobachteten die Forscher auch für verschiedene Unterlagen, die teilweise weicher als Sand, mal fester als Stein waren.

Auf Grundlage ihrer Messungen entwickelten Zoet und Iverson nun ein universelles Gesetz. Es zeigte sich, dass bisherige Gletschermodelle das Tempo der gleitenden Gletscher eher unterschätzten. „Gletschermodelle, die auf unserem neuen Gesetz aufbauen, könnten einen größeren Gletscherschwund in die Meere und damit schnellere Raten für den Anstieg des Meeresspiegels vorhersagen als bisher genutzte Modelle“, sagt Iverson. Mit dem neuen Gesetz könnten die angepassten Gletschermodelle somit die natürlichen Bedingungen besser nachbilden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2020/wie-gletscher-gleiten/