„Den Ursprung des Mikroplastiks besser verstehen“

Katharina Luckner

Das Bild zeigt das Forschungsgebiet aus der Luft sowie das Filtrationssystem, wie es zu Wasser gelassen wird.

Melanie Bergmann/AWI

Kleine Plastikpartikel – auch Mikroplastik genannt – sind nur schwer abbaubar und stellen damit eine große Belastung für die Umwelt dar. Die weniger als fünf Millimeter großen Teilchen werden etwa in Kosmetikprodukten verwendet, entstehen während der Wäsche von synthetischen Fasern oder beim Abrieb von Reifen auf Fahrbahnen. Mithilfe verschiedener Methoden untersuchen Forscher, wie sich die Mikropartikel auf der Erde verteilen. Im Interview mit Welt der Physik erklärt Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven, wie sie und ihre Kollegen die Konzentration von Mikroplastik in der Framstraße – dem Seeweg zwischen der Nordostküste Grönlands und der arktischen Inselgruppe Spitzbergen – untersuchen.

Welt der Physik: Wie kam es zu der Studie zum Mikroplastik in der Framstraße?

Foto von Melanie Bergmann.

Melanie Bergmann

Melanie Bergmann: Eigentlich untersuche ich gemeinsam mit meinen Kollegen an einem Tiefsee-Observatorium, wie sich die Fauna am Meeresboden in der Framstraße verändert. Dazu ziehen wir ein Kamerasystem immer entlang der gleichen Strecken über den Meeresboden. Zuletzt haben wir dabei aber nicht nur beobachtet, wie sich die Tiergemeinschaften und die Pflanzenwelt verändern, sondern haben auch immer mehr Plastikmüll gesehen. An unserer nördlichsten Forschungsstation war der Plastikmüll sogar fast um das Dreißigfache angestiegen. Da stellt sich natürlich die Frage, wie viel zusätzliches Mikroplastik – das wir nicht sehen können – dort vorhanden ist.

Wie haben Sie das untersucht?

Wir haben an verschiedenen Stellen in der Framstraße Proben aus dem Meerwasser entnommen. Dazu haben wir in jeweils vier verschiedenen Wassertiefen mehrere Hundert Liter Wasser durch einen sehr feinen Filter gepumpt. Diese Proben haben wir dann im Labor mit einem sogenannten Fourier-Transformations-Infrarotspektrometer analysiert. Indem wir die Partikel mit Infrarotlicht beleuchtet und die reflektierte Strahlung gemessen haben, ließ sich sozusagen ein Fingerabdruck von jedem Partikel erstellen. Damit konnten wir bestimmen, wie viele Mikroplastikpartikel sich in einer Probe befinden. Es zeigte sich, dass das meiste Mikroplastik in der Framstraße sehr klein ist: Es ist nur wenige Mikrometer groß und damit deutlich kleiner als der Durchmesser eines menschliches Haares.

Wo haben Sie am meisten Mikroplastik in der Framstraße gefunden?

Im Meeresboden haben wir die höchste Konzentration von Mikroplastik in der sogenannten Eisrandzone – dem Übergang zwischen Eis und offener See – gemessen. Unsere Proben zeigen, dass sich das Mikroplastik kontinuierlich im Meeresboden ansammelt: Wir finden dort bis zu 13 000 Partikel pro Kilogramm. Auch die höchste Konzentration im Wasser haben wir in der Eisrandzone gemessen und zwar an der Wasseroberfläche mit etwa 1300 Partikeln pro Kubikmeter.

Wie kommt das Mikroplastik eigentlich dorthin?

Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Unsere Analysen zeigen, dass das Mikroplastik oftmals lange Wege zurücklegt, bevor es in der Tiefsee der Framstraße landet. Das Mikroplastik in der Nähe von Spitzbergen stammt vermutlich hauptsächlich aus dem Atlantik. Auf seinem Weg vom Atlantik in den Norden sinkt das Mikroplastik dann immer tiefer ab, bis es zuletzt auf dem Boden der Framstraße landet. Die Plastikteilchen in der westlichen Framstraße stammen dagegen vermutlich aus dem arktischen Eis, das in der Eisrandzone schmilzt und Mikroplastik freisetzt. Einerseits wird das Mikroplastik dann aufgrund des Ostgrönlandstroms – der von Norden nach Süden durch die Framstraße verläuft – tiefer ins Wasser getragen. Es setzt sich aber andererseits auch an biologischem Material fest und sinkt gemeinsam mit diesem Material auf den Meeresboden. Unsere Computermodelle zeigen außerdem, dass die Mikropartikel nicht in einer geraden Linie von der Meeresoberfläche in die Tiefsee sinken. Die vorherrschenden Wasserströmungen nehmen die Teilchen mit und lenken sie so ab, dass sie letztendlich einen viel längeren Weg bis zum Meeresboden zurücklegen.

Und wie kommt das Mikroplastik überhaupt in das Eis der Arktis?

Es gibt verschiedene mögliche Ursprünge. Mithilfe von Satellitenaufnahmen untersuchen wir die Herkunft des Eises – das über die Arktis wandert –, um mehr über den Ursprung des Mikroplastiks zu erfahren. Unsere Analysen zeigen, dass das Mikroplastik zum einen über Umwege aus dem Atlantik kommt. Zum anderen gelangt aber auch viel Wasser von sibirischen Flüssen in den Arktischen Ozean. Diese Flüsse durchlaufen nicht nur die sibirische Steppe, sondern auch große Städte und viele Gemeinden und könnten dabei Mikroplastik aufnehmen. Zuletzt vermuten wir, dass die Atmosphäre durch Abriebprozesse ebenfalls Mikroplastik aufnimmt und transportiert. Durch Niederschlag gelangen die Plastikteilchen dann in die Lebensräume der Arktis.

Was möchten Sie als nächstes untersuchen?

Wir werden uns noch genauer anschauen, wie das Mikroplastik in die Arktis gelangt und wie groß der Einfluss der sibirischen Flüsse ist. Außerdem möchten wir analysieren, wie sich die Mikroplastikkonzentration im Verlauf eines Jahres verhält. Dafür werden wir in verschiedenen Wassertiefen über das ganze Jahr hinweg die Konzentration von driftenden Partikeln messen. Denn wir wollen herausfinden, ob beispielsweise die Algenblüte oder Eisschmelze die Verteilung des Mikroplastiks im Wasser beeinflusst. Insgesamt möchten wir also den Ursprung des Mikroplastiks noch besser verstehen. Außerdem untersuchen wir zusammen mit britischen Kollegen, ob Tiere des Zooplanktons auch Mikroplastik aufnehmen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/den-ursprung-des-mikroplastiks-besser-verstehen/