Gletscherseen wachsen weltweit rasch

Sven Titz

Blick von einer waldigen Fläche aus auf eine Gletscherwand, davor türkisfarbenes Wasser, dahinter eine felsige Bergkette

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Am Ende von Gletscherzungen bilden sich häufig Seen, die mit Schmelzwasser gefüllt sind. Mit den steigenden Temperaturen im Zuge des Klimawandels nimmt die Anzahl dieser Gewässer zu. Jetzt haben Wissenschaftler erstmals die Veränderung der Gletscherseen global abgeschätzt, wie sie in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change” berichten. Zwischen 1990 und 2018 habe die Zahl der Gletscherseen weltweit um 53 Prozent zugenommen, schreibt das Team um Dan Shugar von der University of Calgary in Kanada.

Viele Gletscherseen befinden sich in entlegenen Regionen. Das macht eine globale Untersuchung vor Ort unmöglich. Shugar und seine Kollegen werteten stattdessen Satellitenaufnahmen aus. Die Identifikation der Seen war nicht immer einfach – vor allem dann, wenn die Seen zugefroren waren, eine ungewöhnliche Farbe besaßen oder Wolken über das Gebiet zogen während der Aufnahme. Anhand eines Vergleichs von genauen Vor-Ort-Messungen in Grönland mit den Daten aus der Satellitenauswertung stellten die Forscher sicher, dass ihre Methode funktioniert.

Der Analyse zufolge gab es im Zeitraum von 2015 bis 2018 insgesamt 14 394 Gletscherseen auf der Erde. Ihre Gesamtfläche sei seit 1990 um 51 Prozent gewachsen. Das Volumen habe zuletzt 157 Kubikkilometer betragen – das entspricht ungefähr dem Volumen des Vänernsees in Schweden. Ergösse sich diese Wassermenge vollständig ins Meer, stiege der Meeresspiegel um 0,43 Millimeter. Am stärksten hat das Volumen der Gletscherseen in der Arktis zugenommen, wo auch die Temperatur besonders schnell gestiegen ist. Die Seen sind aber nicht überall im gleichen Maße gewachsen. In manchen Regionen gab es sogar einen Rückgang, zum Beispiel auf der Baffininsel im Nordosten Kanadas und im Südwesten Grönlands. Aus einigen Seen dort ist Wasser abgeflossen.

Die Forscher um Shugar nehmen an, dass sich das Wachstum der Gletscherseen im Zuge des Klimawandels fortsetzen wird. Möglicherweise beschleunigt sich die Entwicklung sogar noch. Damit wächst generell die Gefahr von Gletscherseeausbrüchen. In manchen Regionen stellen diese plötzlichen Überschwemmungen eine Bedrohung für den Tourismus, Wasserkraftwerke, Anlagen der Öl- und Gasindustrie oder Verkehrswege dar. Um die konkrete Gefahr vor Ort abzuschätzen, ist allerdings eine genaue Untersuchung der betreffenden Gletscherseen notwendig.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2020/gletscherseen-wachsen-weltweit-rasch/