Überraschende Hebung in der Westantarktis

Sven Titz

Das Bild zeigt ein GPS Messgerät in der Antarktis. Es ist ein Metallgerüst mit einer grauen Kiste und einigen Geräten zu sehen. Das GPS-Messgerät steht auf einem Felsen. Um den Felsen herum sind Eis und Steine und im Hintergrund ist eine Küste zu seh

David Saddler

Seit Langem befürchten Klimaforscher, dass der Eisschild der Westantarktis im Zuge der globalen Erwärmung stark schrumpfen könnte. Neue GPS-Messungen eines internationalen Forscherteams in der Westantarktis deuten nun aber darauf hin, dass die Lage nicht ganz so dramatisch ist – jedenfalls nicht überall in dieser Region. Wo Gletschereis schwindet, hebt sich der Erdmantel. Diese Bewegung läuft in einem Teilgebiet der Westantarktis aber deutlich schneller ab als bislang angenommen, berichten die Wissenschaftler nun im Fachjournal „Science“. Und das könnte die Gletscher in dieser Region vor einem allzu raschen Schrumpfen bewahren.

Valentina Barletta von Dänemarks Technischer Universität in Lyngby und ihre Kollegen analysierten erstmals GPS-Messungen eines Gebiets am Rand der Westantarktis. Dafür brachten die Forscher die Messgeräte auf Felsen an, die aus dem Gletschereis ragten. In der Bucht der Amundsensee ermittelte das Team eine Hebung um bis zu 41 Millimeter pro Jahr. Das ist eine der höchsten Hebungsraten, die man jemals in vergletscherten Gebieten auf der Erde verzeichnete. Denn schrumpfen Gletscher, steigen die unter ihnen liegenden Landmassen an. In Skandinavien hebt sich der Boden beispielsweise immer noch, obwohl der Eisschild dort schon vor über 9000 Jahren verschwand. Wie schnell diese Bewegung abläuft, hängt stark von der Viskosität des Erdmantels ab – also davon, wie zähflüssig die Schicht unterhalb der Erdkruste ist.

Das Bild zeigt schematisch die Ausgleichsbewegungen der Antarktis. Im unteren Bildbereich ist der Erdmantel dargestellt, darüber ist die Erdkruste dargestellt sowie die Gletscherschicht.

Ausgleichsbewegung der Westantarktis

Die Viskosität des Erdmantels unter der Westantarktis ließ sich bislang nur abschätzen. Die GPS-Messungen deuten nun aber darauf hin, dass die ursprünglich angenommenen Werte viel zu hoch waren. Der Erdmantel ist dort also erheblich verformbarer als gedacht. Die Forscher nehmen an, dass der Erdmantel wärmer ist als andernorts. Aufgrund der niedrigeren Viskosität kann die Landmasse viel schneller auf einen Eisverlust reagieren als beispielsweise in Skandinavien. Die Gletscher, die in die Amundsensee münden, haben zuletzt große Mengen an Eis verloren – vor allem der Thwaites-Gletscher und der Pine-Islands-Gletscher. Mit etwa 0,3 Millimetern pro Jahr trugen sie zu einem Zehntel des Anstiegs des Meeresspiegels bei. Die neuen Messungen zeigen, dass die Landhebung in dieser Region bis zu viermal höher ist, als aufgrund dieses Eisverlusts zu erwarten wäre: Der Erdmantel reagiert nicht nur auf den aktuellen Eisschwund, sondern zusätzlich auch auf das frühere Schrumpfen der Gletscher.

Computersimulationen von Bewegungen des Erdmantels deuten außerdem darauf hin, dass die Hebung künftig noch zunehmen wird. Sofern die Gletscher weiterhin konstant schrumpfen, könne die Hebungsrate in hundert Jahren zweieinhalb- bis dreieinhalbmal so groß sein wie heute. Das sind gute Nachrichten für die Gletscher in dieser Region des westantarktischen Eisschilds. Denn sie liegen unterhalb des Meeresspiegels auf dem Untergrund auf und erfahren durch diese Konstellation einen Auftrieb. Doch aufgrund der schnellen Hebung sinkt die Auftriebskraft und die Gletscher können sich gemäß plausiblen Klimaprognosen selbst bei einem mittleren Temperaturanstieg allmählich stabilisieren. Nur wenn die globale Erwärmung extrem stark ausfiele, wäre ihr Kollaps unausweichlich.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2018/ueberraschende-hebung-in-der-westantarktis/