Warmes Wasser aus dem Atlantik

Jan Oliver Löfken

Blick vom Meer aus auf einen Gletscher

Sara Giansiracusa

Der Klimawandel ist besonders stark in der Arktis zu beobachten: So stieg in den letzten 50 Jahren die mittlere Lufttemperatur nördlich des Polarkreises bereits um 3,1 Grad Celsius an – mehr als doppelt so viel wie in anderen Regionen der Welt. Und sowohl die Meerestemperatur als auch der Salzgehalt des Arktischen Ozeans erhöhten sich aufgrund eines stärkeren Zuflusses von Meerwasser aus dem Atlantik, der sogenannten Atlantifikation, bereits erheblich. Wie Wissenschaftler nun in der Fachzeitschrift „Science Advances“ berichten, wurde der Arktische Ozean sogar schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts deutlich wärmer und salziger – also Jahrzehnte früher als bisher angenommen.

Ein Arbeiter auf einem Schiff hält ein Rohr, dass an einem Stahlseil befestigt ist, ins Meer.

Klimaforschung in der Arktis

„Aus Satellitendaten wissen wir, dass sich der Arktische Ozean besonders stark in den vergangenen zwanzig Jahren erwärmte“, sagt Francesco Muschitiello von der University of Cambridge. Diese Erwärmung und den zusätzlichen Anstieg des Salzgehalts wollten der Klimaforscher und seine Kollegen nun für einen längeren Zeitraum im Detail untersuchen. Dazu analysierten sie zunächst Sedimente am Meeresboden der sogenannten Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen. Aus den Ablagerungen von marinen Mikroorganismen zogen die Forscher Rückschlüsse auf den Verlauf der Erwärmung und des Salzgehalts für einen Zeitraum von etwa 800 Jahren.

Es zeigte sich, dass sich sowohl die Temperatur als auch der Salzgehalt des Meerwassers in der Framstraße über viele Jahrhunderte relativ konstant verhielten, bis beide Werte zu Beginn des 20. Jahrhunderts deutlich anstiegen. Die Ursache für diese schnelle Atlantifikation am Tor zum arktischen Ozean liegt in einem stärkeren Zufluss von wärmerem und salzigerem Meerwasser aus dem Atlantik. Nach Aussage der Forscher könnte das mit dem Ende der Kleinen Eiszeit zusammenhängen, die zu einem relativ kühlen Klima zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert führte. Durch die Erwärmung nach dem Ende der Kleinen Eiszeit konnte sich das wärmere Wasser im Atlantik vermutlich ausdehnen und verstärkt gen Norden strömen. Es besteht somit bereits früher als bisher angenommen eine starke Verbindung zwischen dem Atlantik und der Arktis.

Die ungewöhnlich frühe Erwärmung des Arktischen Ozeans lässt sich mithilfe der aktuellen Klimamodelle allerdings noch nicht gut genug rekonstruieren. Doch mithilfe der neuen Studien von Muschitiello und seinen Kollegen könnten sich die Modelle nun optimieren lassen. Das ist vor allem wichtig, um genauere Vorhersagen für die polaren Regionen, die am stärksten vom Klimawandel betroffenen sind, zu treffen. Auch für den Rest der Welt haben solche Prognosen eine hohe Relevanz. Denn die Folgen des Klimawandels in den polaren Regionen – etwa die Gletscherschmelze auf Grönland oder das Auftauen von Permafrostböden in Sibirien – haben sehr starke globale Auswirkungen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2021/warmes-wasser-aus-dem-atlantik/