Schnee in den Alpen wird immer weniger

Jan Oliver Löfken

Zweige eines Wacholderstrauchs mit Beeren, im Hintergrund Schnee

Goldi59/iStock

Diesen Winter leiden die Skigebiete in den Alpen unter akutem Schneemangel – selbst für Kunstschnee aus Schneekanonen ist es oftmals zu warm. Zwar hat leichter Schneefall in den vergangenen Tagen die Lage etwas entspannt. Doch von weißen Winterlandschaften mit meterhohem Pulverschnee können Skifahrer derzeit nur träumen. Diese schrumpfenden Schneemengen untersuchten Forscher nun genauer. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ berichten, fügt sich der aktuelle Mangel in einen seit Jahrzehnten beobachteten Trend ein, der nachweislich durch den Klimawandel verursacht ist.

Für die Analyse der Schneemengen in der jüngeren Vergangenheit nutzten Marco Carrer von der Universität Padua und seine Kollegen die Daten von hunderten Messstationen, die über die gesamte Alpenregion verteilt sind. Es zeigte sich, dass zwischen 1971 und 2019 die Schneehöhe um 8,4 Prozent pro Jahrzehnt abnahm. Parallel verkürzte sich die Dauer einer geschlossenen Schneedecke um 5,6 Prozent pro Jahrzehnt. Um diesen Trend – so offensichtlich er sein mag – eindeutig dem vom Menschen verursachten Klimawandel zuzuordnen, sind Schneedaten von vor der Industrialisierung im 19. Jahrhundert nötig. Konkrete Messungen aus dieser Zeit sind allerdings kaum verfügbar, doch eine Alternative fand die Arbeitsgruppe nun in den Jahresringen von Wacholdersträuchern.

Insgesamt analysierten die Forscher 572 in mehr als 2000 Meter Höhe gesammelte Proben von Wacholderhölzern aus dem Val Ventina in den italienischen Alpen – sowohl von lebenden als auch von abgestorbenen Sträuchern. Dabei ließ sich aus der Breite der einzelnen Jahresringe auf die Dauer der Schneeabdeckung schließen. Denn da die am Boden wachsenden Sträucher nicht wachsen, während sie von Schnee bedeckt sind, bilden sich die Jahresringe immer erst nach der Schneeschmelze. So entstand mithilfe der Jahresringe ein Schneearchiv der vergangenen sechs Jahrhunderte: Zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert war die Schneedecke im Val Valentina durchschnittlich etwa 250 Tage pro Jahr geschlossen. Seither verkürzte sich die Dauer der Schneeabdeckung – trotz Schwankungen in einzelnen Jahren – bis heute um 36 Tage. Dieses Verhalten steht somit in einem klaren Zusammenhang mit der Erderwärmung der vergangenen Jahrzehnte.

„Dieser Rückgang ist beispiellos mit Blick auf die vergangenen sechs Jahrhunderte“, so Carrer und Kollegen. Sie fordern nun schnelle und wirksame Maßnahmen, die dem anhaltenden Trend entgegenwirken. Wichtig sind aber auch Strategien, um mit dem drohenden Wassermangel in den Alpen und angrenzenden Regionen leben zu können. Denn der Schnee der Alpen ist ein lebenswichtiger Wasserspeicher, der nach der Schmelze im Frühling auch große Flüsse wie Donau, Rhein, Rhône und Po speist. Schrumpft dieser Wasserspeicher, beeinflusst der daraus folgende Wassermangel die Landwirtschaft und die dicht besiedelten Regionen rund um die Alpen. Der nahezu ausgetrocknete Po vergangenen Sommer zeigte bereits, wie dramatisch sich dieser Wassermangel auswirken kann.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2023/klimawandel-schnee-in-den-alpen-wird-immer-weniger/