Ruhiges Schwarzes Loch außerhalb der Milchstraße

Rainer Kayser

Die Abbildung zeigt eine hell leuchtende Kugel im Hintergrund. Vor ihr befindet sich eine deutlich kleinere, dunkle Kugel.

ESO/L. Calçada; Lizenz: CC BY 4.0

In der Großen Magellanschen Wolke – einer Nachbargalaxie der Milchstraße – hat ein Team von Astronomen ein stellares Schwarzes Loch entdeckt, das keine Strahlung abgibt. Es ließ sich nur aufgrund seiner Anziehungskraft aufspüren und ist das erste bekannte „ruhige“ Schwarze Loch außerhalb der Milchstraße. Zudem sei dieses Schwarze Loch offenbar nicht bei einer Sternexplosion, sondern durch den direkten Kollaps eines Sterns entstanden, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Astronomy“.

Astronomen vermuten, dass es in der Milchstraße und den umliegenden Nachbargalaxien – der lokalen Gruppe – Milliarden stellarer Schwarzer Löcher gibt. Stellare Schwarze Löcher sind die Überreste von großen Sternen mit mehr als der 15-fachen Masse unserer Sonne. Wenn ein solcher Stern seinen nuklearen Brennstoff aufgebraucht hat, kollabiert er unter seiner eigenen Anziehungskraft zu einem Schwarzen Loch. In der Regel geht dieser Kollaps mit einer Explosion, auch Supernova genannt, einher, wobei die äußere Hülle des Sterns ins All hinausgeschleudert wird.

Tatsächlich bekannt sind bislang allerdings nur wenige stellare Schwarze Löcher – und zwar solche, die mit einem Stern in ihrer Nähe um ein gemeinsames Zentrum kreisen. Oft saugen die Schwarzen Löcher in solchen Doppelsystemen mit ihrer starken Schwerkraft gasförmige Materie von ihrem Partnerstern ab. Dabei heizt sich das Gas auf und sendet hochenergetische Röntgenstrahlung aus, die Forscher mit Teleskopen beobachten können und somit das Schwarze Loch aufspüren.

Neben solchen leuchtenden Schwarzen Löchern sollte es aber auch viele ruhige Schwarze Löcher geben, in die keine Materie einströmt. Für die Suche nach dieser Art von Schwarzen Löchern haben Tomer Shenar von der Universität Löwen in Belgien und seine Kollegen knapp tausend massereiche Sterne in der Region des Tarantelnebels in der Großen Magellanschen Wolke ins Visier genommen. Und das Team wurde fündig: Als sie den Stern namens VFTS 243 mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO beobachteten, entdeckten sie eine periodische Bewegung. Offenbar befindet sich in der Nähe des Sterns ein weiteres Himmelsobjekt, das mit ihm gemeinsam ein enges Doppelsystem bildet. Alle 10,4 Tage umkreisen sich die beiden Objekte gegenseitig, was die periodische Bewegung des Sterns VFTS 243 erklärt.

Doch die Forscher konnten in den Teleskopen keine Strahlung eines weiteren Sterns entdecken – das zweite Objekt blieb völlig unsichtbar. Während der Stern die 24-fache Sonnenmasse besitzt, muss das zweite Objekt im Doppelsystem mindestens eine Masse von neun Sonnenmassen umfassen. „Aus der Masse des unsichtbaren Objekts folgt damit, dass es sich um ein Schwarzes Loch handeln muss“, stellten Shenar und seine Kollegen fest. Da das Schwarze Loch auch keine Röntgenstrahlung aussendet, ist es dem Team erstmals gelungen, ein ruhiges Schwarzes Loch außerhalb der Milchstraße aufzuspüren – ein wichtiger erster Schritt, um die Häufigkeit derartiger Objekte einzuschätzen.

Als die Forscher das Doppelsystem daraufhin noch genauer untersuchten, machten sie eine weitere überraschende Beobachtung: Die Umlaufbahnen der beiden Himmelsobjekte sind offenbar nahezu kreisförmig. Wenn jedoch bei der Entstehung eines stellaren Schwarzen Lochs der kollabierende Stern seine äußere Hülle ins All abstößt, erhält das Schwarze Loch einen kräftigen Stoß – und gelangt so auf eine stark elliptische Umlaufbahn. In extremen Fällen kann das Schwarze Loch sogar aus dem Doppelsystem herauskatapultiert werden.

Die kreisförmige Umlaufbahn deute daher laut den Forschen darauf hin, dass das Schwarze Loch von VFTS 243 ohne eine Supernova entstanden sei. „In letzter Zeit gibt es immer wieder Hinweise auf ein solches Szenario“, erläutert Shenar. „Aber unsere Studie liefert wohl einen der bislang direktesten Hinweise dafür.“ Auch wenn zwei Schwarze Löcher miteinander verschmelzen, spielen ihre Umlaufbahnen eine wichtige Rolle. Somit haben die neuen Erkenntnisse auch Konsequenzen auf die Interpretation von Gravitationswellen, die mit großen Detektoranlagen von solchen Ereignissen empfangen werden.

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/astrophysik-ruhiges-schwarzes-loch-ausserhalb-der-milchstrasse/