Schwarzes Loch in der Milchstraße abgelichtet

Mit einem Zusammenschluss aus mehreren Radioteleskopen gelang erstmals ein direkter Blick auf das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Galaxie.

Rainer Kayser

Vor einem dunklen Hintergrund zeichnet sich ein verschwommener, hell leuchtender Ring ab.

EHT Collaboration

In den Zentren der meisten Galaxien befindet sich ein Schwarzes Loch mit der millionen- oder gar milliardenfachen Masse unserer Sonne – auch in der Milchstraße. Die Schwerkraft dieser Objekte ist so gewaltig, dass nicht einmal Licht aus ihnen entkommen kann. Das macht eine Fotografie eigentlich unmöglich. Mit dem Event Horizon Telescope, einem Zusammenschluss aus mehreren Radioteleskopen, gelang nun dennoch ein direkter Blick auf das Schwarze Loch im galaktischen Zentrum: Die nun in einer Sonderausgabe des Fachblatts „Astrophysical Journal Letters“ veröffentlichte Aufnahme zeigt zwar nicht das Schwarze Loch selbst – sein „Schatten“ ist aber deutlich als dunkle zentrale Region zu erkennen, umgeben von einer hellen ringförmigen Struktur.

Trotz der enormen Masse handelt es sich bei Schwarzen Löchern um extrem kompakte Himmelskörper. Um die unmittelbare Nähe dieser Objekte abzubilden, schalteten die mehr als dreihundert beteiligten Astronomen mehrere Radioteleskope auf der gesamten Welt zusammen, darunter ALMA und APEX in Chile sowie Observatorien in Europa, Hawaii und am Südpol. Dieses als Interferometrie bezeichnete Verfahren ermöglicht eine deutlich höhere Auflösung verglichen mit den Einzelteleskopen. Nach jahrelanger Vorarbeit führten die Forscher 2017 schließlich erste Beobachtungen mit dem Teleskopnetzwerk – Event Horizon Telescope genannt – durch. Mit Erfolg: Im April 2019 präsentierte das Team das erste Foto eines Schwarzen Lochs. Das Bild zeigt die Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M87. Mit 6,5 Milliarden Sonnenmassen ist dieses Objekt mehr als tausendfach schwerer als das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße.

Tatsächlich hatten die Wissenschaftler die Radioantennen des Event Horizon Telescope vor fünf Jahren nicht nur auf diese ferne Galaxie, sondern auch auf das mit 27 000 Lichtjahren viel näher liegende Zentrum der Milchstraße gerichtet. Trotz der geringeren Distanz erwies sich die Auswertung der Beobachtungsdaten als weitaus schwieriger. „Die Strahlung des Schwarzen Lochs von M87 ist über Stunden hinweg konstant“, erläutert der an der Studie beteiligte Forscher Anton Zensus vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Das Objekt im galaktischen Zentrum dagegen verändert sich schon im Verlauf weniger Minuten. Wir mussten deshalb völlig neue Methoden für die Auswertung entwickeln.“

Schwarze Löcher in M87 und der Milchstraße

Wie bei M87 lässt sich auch auf dem ersten Foto vom Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße ein leuchtender Ring um einen dunklen Kern erkennen. Diesen dunklen Bereich bezeichnen die Forscher als Schatten des Schwarzen Lochs. Er ist etwa doppelt so groß wie der eigentliche Ereignishorizont – ab dieser Grenze kann weder Licht noch Materie dem Schwarzen Loch entkommen. Bei dem leuchtenden Ring handelt es sich um aufgeheiztes Gas, das um das Schwarze Loch herumwirbelt. Die enorme Anziehungskraft zwingt die von diesem Gas ausgehende Strahlung auf gekrümmte Bahnen und sorgt so für einen verzerrten Blick auf die Region um das Schwarze Loch.

Diese durch die Gravitation verursachten Effekte lassen sich mithilfe der Allgemeinen Relativitätstheorie beschreiben. Die Wissenschaftler setzten jetzt Computermodelle ein, um ihre Beobachtungen mit den Vorhersagen der Theorie zu vergleichen. Demnach stimmt die Aufnahme sehr gut mit der erwarteten Verzerrung für ein Schwarzes Loch mit der viermillionenfachen Masse der Sonne überein. Zu diesem Ergebnis kommen auch frühere Messungen, bei denen man unter anderem die Bahnen von Sternen nahe dem Schwarzen Loch nutzte, um auf die Masse des zentralen Objekts zu schließen.

Der Vergleich mit unterschiedlichen Modellen erlaubte zudem noch weitere Schlussfolgerungen. „Am besten passen die Modelle, die eine Rotation des Schwarzen Lochs annehmen“, erläutert Koautor Karl Schuster vom Institut für Millimeterwellenradioastronomie in Frankreich. „Außerdem scheint die Rotationsachse des Schwarzen Lochs mehr oder weniger in Richtung Erde geneigt zu sein“, so der Forscher weiter. Das sei ungewöhnlich, weil es nicht mit der Drehachse der Milchstraße übereinstimme.

Für die beteiligten Wissenschaftler ist das Foto des galaktischen Zentrums ein großer Erfolg, gleichwohl aber nur ein erster Schritt: „Es zeigt uns, dass unsere Methode funktioniert“, so Zensus. Für die Zukunft hofft der Forscher auf die Erweiterung des Teleskopnetzwerks – möglichst auch durch Antennen im Weltall. Denn damit ließen sich Bilder mit noch erheblich größerer Auflösung erzielen und dadurch weitere Erkenntnisse über die physikalischen Vorgänge in der unmittelbaren Umgebung supermassereicher Schwarzer Löcher gewinnen.

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/event-horizon-telescope-schwarzes-loch-in-der-milchstrasse-abgelichtet/