Nächstgelegenes Schwarzes Loch entdeckt

Dirk Eidemüller

Schwarzes Kreis mit scheibenförmigem Lichtgebilde

T. Müller (MPIA) / ESA/Gaia/DPAC, CC BY-SA 3.0 IGO

Schwarze Löcher sind schwierig zu entdecken – denn keinerlei Licht kann von ihnen ausgehen und sie sind extrem kompakt. Nun gelang es einer Gruppe von Astronomen, ein Schwarzes Loch relativ nahe zur Erde zu entdecken. Mit gerade einmal 1560 Lichtjahren Entfernung ist es das nächstgelegene bekannte Schwarze Loch überhaupt. Es ist außerdem ein „stilles“ Schwarzes Loch, verrät sich also nicht durch heiße Materie in seiner Umgebung, sondern nur durch den Einfluss seiner Schwerkraft auf seinen Begleitstern, wie die Forscher in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society berichten.

Schwarze Löcher senden keinerlei Strahlung aus – sind also absolut dunkel – und vereinigen ihre gesamte Masse in einem kleinen Volumen. Neben den prominentesten Vertretern, den supermassereichen Schwarzen Löchern, wie etwa dem im Zentrum der Milchstraße, gibt es unter anderem auch stellare Schwarze Löcher. Solche Objekte gehen aus Supernovae, also Sternexplosionen, schwerer Sterne hervor und haben Durchmesser von nur wenigen Kilometern. Einige von ihnen sind sogenannte stille Schwarze Löcher. Sie haben im Gegensatz zu aktiven Schwarzen Löchern keine umgebende Akkretionsscheibe. Deshalb verraten sie sich nicht durch Röntgenstrahlung, die von der heißen Materie einer solchen rotierenden Gas- und Staubscheibe ausgeht. Stattdessen lassen sie sich nur dadurch nachweisen, dass ein Begleitstern sie umkreist. Dessen Bewegung muss allerdings genau bestimmt werden, um Rückschlüsse über den unsichtbaren Teil des Systems – das mögliche Schwarze Loch – zu ziehen.

Nun fanden Forscher unter der Leitung von Kareem El-Badry vom Max-Planck-Institut für Astronomie und vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in den Daten des Weltraumteleskops Gaia Hinweise auf insgesamt sechs mögliche stille Schwarze Löcher. Aus den Daten mussten El-Badry und seine Kollegen mehrere Kandidaten wieder aussortieren, weil die Datenlage keine klare Aussage zuließ. Ein System jedoch erwies sich als besonders erfolgversprechend. Dieses untersuchten sie zusätzlich mit den Magellan-Teleskopen, dem Gemini-Observatorium, dem Keck-I-Teleskop und mit dem MPG/ESO-2,2-m-Teleskop am La Silla-Observatorium der Europäischen Südsternwarte. So konnten sie aus den Spektren der ausgesandten Strahlung und der Bewegung des leuchtenden Sterns, der sich um das Schwarze Loch bewegt, wichtige Schlüsse ziehen.

Wie die Forscher zeigten, ist der Stern etwas kleiner als unsere Sonne und umkreist ein unsichtbares Objekt einmal in 185 Tagen. Die Bahn, auf der er sich bewegt, hat im Schnitt einen Durchmesser, der etwa der Entfernung der Erde zur Sonne entspricht. Das dunkle Objekt inmitten dieser Bahn hat hingegen knapp zehn Sonnenmassen. Laut den Forschern ist das einzig mögliche Szenario, das diesen Orbit erklärt, dass es sich bei dem Objekt um ein Schwarzes Loch handelt.

Allerdings wirft der Fund auch Fragen auf. Ein so schweres Schwarzes Loch sollte aus einem Stern mit rund zwanzig Sonnenmassen hervorgegangen sein. Dieser hätte sich nach einer sehr kurzen Lebensspanne in einen Überriesen verwandelt, der weit über die Bahn seines Begleitsterns hinausgereicht hätte. Es ist unklar, wie der kleinere Begleitstern dies hätte überstehen können, ohne irgendwelche Besonderheiten zu zeigen. Die Astronomen spekulieren deshalb, das entdeckte Objekt könne sogar selbst aus zwei Schwarzen Löchern bestehen, die sich eng umkreisen. Diese beiden wären dann aus zwei nicht ganz so schweren Sternen hervorgegangen, so dass kein so großer Überriese entstanden wäre. Ein anderes Szenario besagt, dass ursprünglich die zwei Sterne in einem Sternhaufen entstanden und viel weiter voneinander entfernt gewesen sein könnten. Erst nach der Supernova, bei der sich das stellare Schwarze Loch aus dem größeren Stern gebildet hat, hätten sie sich einander aufgrund von Schwerkrafteinflüssen durch andere Sterne im Sternhaufen angenähert, so die Erklärung.

In den Daten von Gaia lassen sich allerdings noch viele weitere Schwarze Löcher finden. Deren Analyse wird sicherlich viel zum Verständnis exotischer Systeme beitragen. Und vermutlich wird sich auch ein noch näher an der Erde gelegenes Schwarzes Loch finden.

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/schwarze-loecher-naechstgelegenes-schwarzes-loch-entdeckt/