Wenn Plastik laufen lernt

Jan Oliver Löfken

Dünner Streifen aus Kunststoff, der sich unter Rotlicht krümmt

Zeng & Zhang et al.

Viele Materialien verformen sich, sobald man sie erwärmt. Nun entwickelten Forscher einen Kunststoff, der nicht nur auf Wärme, sondern auch auf Lichtpulse gezielt mit einer mechanischen Bewegung reagiert. Dieser Effekt ließe sich beispielsweise für künstliche Muskeln nutzen, die Roboter antreiben. In der Fachzeitschrift „Matter“ stellte das Team um Hao Zeng von der Universität Tampere in Finnland einen ersten Prototyp für einen solchen Roboter vor.

Die Grundlage für die Experimente bildete ein Polymernetzwerk mit eingelagerten Flüssigkristallen und Farbstoffmolekülen. Zeng und seine Kollegen fertigten aus diesem Material einen etwa zwei Zentimeter langen Streifen. Erwärmten die Forscher den dünnen Streifen auf über 40 Grad Celsius, krümmte er sich. Sobald er abgekühlt war, nahm er wieder seine ursprüngliche Form an. In einem zweiten Schritt heizte das Team den Kunststoff mehrmals hintereinander auf und bestrahlte ihn gleichzeitig mit roten Lichtpulsen. Durch das zyklische Verformen bewegte sich der Streifen fort – mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Millimeter pro Sekunde.

Nach einer gewissen „Lernphase“ reichten allein die Lichtpulse aus, um den Kunststoffstreifen in Bewegung zu versetzen. Dieser verblüffende Effekt ließe sich den Wissenschaftlern zufolge damit erklären, dass sich die Flüssigkristalle und Farbstoffmoleküle im Polymernetzwerk neu anordnen. Vor allem die Farbstoffmoleküle verteilten sich gleichmäßiger über den gesamten Kunststoffstreifen. Dadurch wurde eingestrahltes Licht um ein Vielfaches effizienter absorbiert und in Wärme umgewandelt. Diese Wärme reichte schließlich aus, um den Streifen bis zu einem rechten Winkel zu krümmen. Ein zusätzliches Aufheizen war nicht mehr nötig.

Mit einer Sequenz von Lichtpulsen lasse sich das Verformen des Kunststoffs sehr viel einfacher kontrollieren als durch Aufheizen, so die Forscher. Zeng und seine Kollegen kombinierten bereits verschiedene lichtaktive Materialien, um mit blauen oder roten Lichtpulsen jeweils andere mechanische Bewegungen anzuregen. Solche wärmeaktiven Werkstoffe eignen sich aber nicht nur für Roboter. Das Team kann sich auch viele Anwendungen im biomedizinischen Bereich oder in der Photonik vorstellen.


Zeng & Zhang et al.

Prototyp eines laufenden Roboters: Der etwa zwei Zentimeter lange Streifen aus einem Polymernetzwerk mit eingelagerten Flüssigkristallen und Farbstoffmolekülen krümmt sich, sobald Licht auf ihn trifft.

 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2019/wenn-plastik-laufen-lernt/