Immer der Sonne nach

Jan Oliver Löfken

Zeichnung einer Sonnenblume, dahinter Illustration der künstlichen Stängel

Ximin He et al./UCLA

Sonnenblumen folgen völlig selbstständig dem Lauf der Sonne, um möglichst viel Licht einzufangen. Diesen natürlichen Mechanismus – Phototropismus genannt – ahmten Wissenschaftler nun mit einem lichtaktiven Nanomaterial nach. Einsetzen ließe sich das neue bionische System beispielsweise in Solarmodulen, die sich ganz von allein zur Sonne ausrichten und die Stromausbeute so erheblich steigern. Anders als bei den bereits genutzten Nachführtechniken könne man dabei auf eine wartungsintensive Mechanik verzichten, so das Team in der Fachzeitschrift „Nature Nanotechnology“.

Blütenpflanzen wenden sich der Sonne zu, indem sich Zellen in ihrem Stängel kontrolliert verformen: Im Schatten liegende Zellen strecken sich, wodurch sich der Blütenstiel in Richtung des Sonnenlichts krümmt. Nach diesem Vorbild entwickelten Xiaoshi Qian von der University of California in Los Angeles und seine Kollegen einen wenige Zentimeter langen künstlichen Stängel. Im Unterschied zu Pflanzen lässt hier allerdings einfallendes Licht das Material auf der beleuchteten Seite schrumpfen. Das Ergebnis ist aber dasselbe – der Stiel krümmt sich. Erste Versuchsreihen zeigten, dass sich das bionische System innerhalb einiger Sekunden durchaus um bis zu 150 Grad verbiegen kann.

Verantwortlich für dieses Verhalten sind lichtabsorbierende Nanoteilchen im künstlichen Stängel, die in ein spezielles Hydrogel eingebettet sind. Fällt Licht auf die winzigen Teilchen aus Gold oder Graphenoxid, heizen sie sich auf und geben ihre Wärme an das umgebende Hydrogel ab. Daraufhin schrumpft das Gel zusammen und krümmt den Stängel. Im Schatten kühlt sich das Hydrogel wieder ab und der Stiel kehrt in seine ursprüngliche Form zurück.

Derzeit arbeiten die Forscher um Qian zwar noch nicht an einer konkreten Anwendung. Doch Systeme aus zahlreichen künstlichen Stängeln dürften mit Solarzellen bestückte Module zuverlässig und ganz von allein zur Sonne ausrichten. Damit ließe sich die Ausbeute an Solarstrom etwa verdoppeln, schätzt das Team. Verwenden ließe sich das intelligente Material aber beispielsweise auch in Fensterjalousien, die sich je nach Sonnenstand automatisch öffnen und schließen, oder in Solarsegeln von Satelliten und Raumsonden.

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2019/immer-der-sonne-nach/