Kratersuche mit Künstlicher Intelligenz

Rainer Kayser

Die Aufnahme zeigt einen Ausschnitt der Mondoberfläche mit vier größeren Kratern.

NASA

Insgesamt identifizierten Forscher 109 956 neue Mondkrater, jeweils mit einem Durchmesser von mehr als einem Kilometer. Darüber hinaus bestimmten die Astronomen das Alter – also den Zeitpunkt der Entstehung – von 18 996 der neu entdeckten Krater. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Communications“ berichten, verwendeten sie ein innovatives Verfahren Künstlicher Intelligenz. Dafür verwendeten sie Maschinelles Lernen mit einem mehrschichtigen neuronalen Netz in Kombination mit einer speziellen Methode, die neu antrainierte Fähigkeiten schrittweise auf neue Probleme überträgt.

Schwarz-Weiß-Aufnahme der von Kratern übersäten Mondoberfläche

Mondkrater

„Einschlagkrater sind das lunare Äquivalent von Fossilien“, erläutern Chen Yang von der Universität Jilin in China und seine Kollegen. Denn aus der Anzahl und dem Alter der Krater lässt sich ableiten, wann im Sonnensystem vermehrt größere Himmelskörper zusammengestoßen sind. Deshalb versuchen Astrophysiker die Krater auf dem Erdtrabanten einschließlich ihres Alters möglichst lückenlos zu erfassen. Zwar gibt es bereits viele Datenbanken mit Mondkratern, doch wie Yang und seine Kollegen betonen, basieren diese Kataloge auf subjektiven Kriterien. Auch Maschinelles Lernen wurde bereits erfolgreich zur Kratersuche eingesetzt, allerdings nur mit einfachen Kratern als Trainingsdaten. „Sie repräsentieren deshalb nicht die unregelmäßigen und bereits erheblich erodierten Krater des jungen Mondes – und gerade diese bieten uns wichtige Informationen über die Geschichte des Mondes,“ so Yang und seine Kollegen.

Die Forscher sind nun einen Schritt weitergegangen, indem sie zunächst ein künstliches neuronales Netz mit Daten von 7895 bekannten Kratern trainierten. Anschließend identifizierte der Computer neue Krater auf Bildern der Raumsonden Chang’e-1 und -2. Diese wurden wiederum von den Forschern überprüft und, soweit verifiziert, als neues Trainingsmaterial verwendet. So spürten die Forscher per „transfer learning“ kleinere Krater und solche mit ungewöhnlichen Formen schrittweise auf. Auf ähnliche Weise bestimmten Yang und seine Kollegen auch das Alter von vielen der neu entdeckten Kratern. Als Ausgangsbasis dafür dienten 1411 Krater mit bekanntem Alter. Für insgesamt 18 996 Krater mit Durchmessern von über acht Kilometern ließ sich so der Entstehungszeitpunkt bestimmen.

Die Wissenschaftler stellen sowohl ihre Methode als auch die damit gewonnenen Ergebnisse für weitere Analysen in einer Datenbank frei zur Verfügung. Sie möchten ihre Kollegen in aller Welt dazu anregen, das kombinierte Verfahren künftig auch für die Suche nach Kratern auf den Planeten Merkur, Mars, Venus, dem Zwergplanten Ceres und dem großen Asteroiden Vesta anzuwenden. Damit ließen sich womöglich, so die Forscher, neue Erkenntnisse über die Entwicklung des Sonnensystems gewinnen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2020/kratersuche-mit-kuenstlicher-intelligenz/