Was macht den Mond zum Supermond?

Rainer Kayser

Großer, tiefstehender Vollmond über einer Hafenstadt

Steffen_F/iStock

Auf seiner Umlaufbahn um die Erde kommt uns der Mond mehrmals im Jahr besonders nahe. Dies verspricht einen besonders großen und hellen Vollmond am Nachthimmel. Doch obwohl dieser Effekt mit bloßem Auge kaum wahrnehmbar ist, bringt der Supermond so manchen Beobachter ins Staunen. Tatsächlich liegt das aber eher an einem anderen Effekt.

Immer wieder ist von ihm die Rede: dem Supermond. Ungewöhnlich groß soll der Erdtrabant zu bestimmten Zeitpunkten im Jahr am Himmel erscheinen. Und wer dann – gutes Wetter vorausgesetzt – nach draußen geht und nach dem Mond schaut, wird vielleicht wirklich erstaunt sein. Geradezu majestätisch schwebt der Vollmond über dem Horizont.

Wenn der Mond uns besonders nahe ist

Tatsächlich ist „Supermond“ weder ein historisch geprägter noch ein astronomischer oder allgemein wissenschaftlicher Begriff. Vielmehr war es ein Astrologe, Richard Nolle, der 1979 erstmals über einen Supermond schrieb, der für Erdbeben und Vulkanausbrüche verantwortlich sein sollte – nämlich immer dann, wenn sich der Erdtrabant bei Vollmond oder Neumond besonders nah an der Erde befindet.

Doch auch wenn Nolles Überlegungen nicht auf wissenschaftlichen Grundlagen beruhen – ganz von der Hand zu weisen sind sie nicht. Denn die Gezeitenkräfte von Mond und Sonne führen nicht nur zu Ebbe und Flut, sondern auch zu Bewegungen in der Erdkruste. Stehen Sonne, Erde und Mond nahezu in einer geraden Linie, so addieren sich die Gezeitenkräfte von Sonne und Mond und es kommt zu besonders starken Springtiden. Die Hochwasser, umgangssprachlich häufig als Springfluten bezeichnet, fallen etwa 20 Prozent höher als gewöhnliche Hochwasser aus. Tatsächlich treten parallel zu Springfluten auch vermehrt starke Erdbeben auf, wie etwa ein Team um den Geologen Satoshi Ide 2016 anhand der Analyse von über 10 000 Erdbeben zeigte.

Da der Mond sich aber nicht auf einer Kreisbahn, sondern auf einer deutlich elliptischen Bahn um die Erde bewegt, fallen nicht alle Springfluten gleich aus. Der Abstand des Erdtrabanten von unserem Planeten variiert zwischen 356 400 und 406 700 Kilometern. Durchaus naheliegend also, dass die Auswirkungen der Gezeiten stärker sind, wenn sich der Mond bei einer Springflut zusätzlich in Erdnähe befindet. Allerdings ist dieser Einfluss sehr gering: Gerade einmal rund zwei Prozent stärker sind Springfluten im Durchschnitt, wenn der Mond sich in Erdnähe befindet. Entsprechend ließ sich ein Zusammenhang zwischen dem Supermond und Erdbeben bislang nicht nachweisen.

Größer und heller

Grafik zweier Monde, bei denen der linke Supermond laut beistehender Zahlenangabe 14 Prozent größer und 30 Prozent heller erscheint.

Supermond und Minimond im Vergleich

Gleichwohl, der Begriff des Supermonds wurde in den vergangenen Jahren vermehrt aufgegriffen – allerdings anders als ursprünglich von Nolle gemeint: Heute bezieht sich die Bezeichnung nicht mehr auf vermeintliche Auswirkungen des nahen Monds auf Erdbeben oder Vulkanausbrüche. Stattdessen ist lediglich ein Vollmond in erdnaher Position und die damit einhergehende Größe und Helligkeit des Erdtrabanten am Nachthimmel gemeint. Denn wenn der Mond in Erdnähe ist, so ist der scheinbare Durchmesser des Monds um bis zu 14 Prozent größer als der eines Monds in Erdferne – einem sogenannten Minimond. Und mit der größeren Fläche, die der Supermond am Nachthimmel einnimmt, steigt auch die wahrgenommene Helligkeit des Erdtrabanten. Um bis zu 30 Prozent wirkt der Mond in Erdnähe heller als in Erdferne.

Das allerdings sind Extremwerte. Die Umlaufbahn des Monds ist keineswegs unveränderlich, sondern variiert aufgrund der Anziehungskräfte der Sonne und der großen Planeten. So schwankt der Abstand des Monds von der Erde im Perigäum, dem erdnächsten Punkt des jeweiligen Orbits, zwischen 356 400 und 370 400 Kilometern. Die theoretisch möglichen Extremwerte treten daher nur selten auf. Das wirft die Frage auf, ab wann ein Vollmond als Supervollmond gilt. Nolle selbst hat seine Definition im Laufe der Jahrzehnte immer wieder geändert – aktuell verwendet er einen willkürlich gewählten Abstand von weniger als 368 630 Kilometern bei Vollmond als Limit.

Nur ein naher Vollmond ist auch ein Supermond

Grafik: In der Mitte des Bildes befindet sich die Sonne, links und rechts davon jeweils Erde und Mond. Zahlen geben die Extremwerte des Abstands zwischen beiden an; beim Supermond links beträgt der Abstand 356 400 Kilometer, beim Minimond rechts 406 700 Kilometer.

Abstände des Monds von der Erde bei einem Supermond und einem Minimond

Damit gibt es jeweils zwei bis vier Supermonde pro Jahr. Am 14. Juni 2022 war der Erdtrabant 357 658 Kilometer von der Erde entfernt. Beim darauffolgenden Vollmond am 13. Juli stand der Mond mit 357 418 Kilometern der Erde sogar noch etwas näher – nur einen Monat nach dem Vollmond im Juni kam es also schon zum nächsten Supermond.

Oft wird als weiteres Kriterium herangezogen, dass der exakte Zeitpunkt des Vollmonds und der exakte Zeitpunkt der Erdnähe in ein und dieselbe Nacht fallen. Doch diese Definition hängt vom Ort des Beobachters ab.

Eine lohnenswerte Beobachtung?

Ein hell erleuchteter Vollmond

Vollmond

Ob ein bestimmter Vollmond also „super“ ist oder nicht, darüber lässt sich folglich streiten. Auch eine besondere wissenschaftliche Bedeutung hat das Phänomen „Supermond“ nicht. Lohnt sich aber nicht trotzdem der Blick zum Erdtrabanten, wenn er uns besonders nahe steht? Schließlich sind die Unterschiede in scheinbarer Größe und Helligkeit durchaus beachtlich. Tatsächlich sind jedoch am Nachthimmel mit bloßem Auge die Unterschiede zwischen einem normalen Vollmond und einem Supermond aus Mangel an Vergleichsobjekten kaum zu erkennen. So erscheint ein hoch am Himmel stehender Supermond dem Beobachter nicht viel anders als jeder andere Vollmond.

Dennoch gehen viele Menschen, motiviert durch Berichte über den Supermond, in den Abendstunden nach draußen und sind erstaunt über die Größe des Erdtrabanten, wenn sie ihn kurz nach seinem Aufgang in Horizontnähe sehen. Die scheinbar enorme Größe des Monds am Horizont beruht jedoch auf einem ganz anderen Phänomen: Eine optische Täuschung lässt den Mond nahe am Horizont größer erscheinen, als wenn sie hoch am Himmel stehen. Mit dem Supermond hat das also nichts zu tun.

Anmerkung der Redaktion: Die erste Version dieses Artikels erschien 2021 auf Welt der Physik. Im Juli 2022 haben wir den Text aktualisiert.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/thema/hinter-den-dingen/supermond/