Muscheln als Vorbild für selbstheilende Materialien

Jan Oliver Löfken

Das Bild zeigt einen großen Fels im Wasser, an dem viele Muscheln haften.

Trotz Wellenschlag haften Muscheln fest an Riffen in Brandungszonen. Diese Haftkraft beruht unter anderem auf ionischen Bindungen in flexiblen Biomolekülen. Das gleiche Prinzip haben Materialforscher nun auf dehnbare Kunststoffe übertragen. In der Fachzeitschrift „Science“ berichten die Wissenschaftler, dass sie ein Polymer um ein Vielfaches widerstandsfähiger gegen Zugbelastung machen konnten, ohne dass es an Flexibilität einbüßte.

Verantwortlich dafür sind sogenannte ionische Bindungen, die auch dem natürlichen Vorbild – der Kalifornienmuschel – eine beeindruckende Haftung an Riffen verleihen. Für ihre Experimente wählten Megan Valentine vom Materials Research Center der University of California in Santa Barbara und ihre Kollegen einen elastischen Kunststoff aus dem Polymer Polyethylenglycol. Dieses Polymer versetzten sie mit Eisennitrat und einer organischen Substanz – Brenzcatechin. Dank dieser Zusätze konnten die Polymerstränge im Kunststoff zusätzlich zu kovalenten Bindungen auch über ionische Bindungen zusammengehalten werden. Der Vorteil: Brachen ionische Bindungen bei einer Zugbelastung auf, konnten sie sich nach einer Entlastung wieder neu verknüpfen.

Die Belastungsversuche zeigten außerdem, dass die Zugfestigkeit um das 58-fache im Vergleich zu identischen Polymeren ohne Zusätze anstieg. Auch die Ausbreitung dauerhafter Risse im Material ließ sich unterdrücken und die Elastizität des Materials blieb dabei vollständig erhalten. „Unser elastisches Material nimmt eher Energie auf, als dass es plötzlich bricht“, sagt Valentine. Bei einer Dehnung gebrochene Bindungen konnten im Kunststoff selbstständig ausheilen und damit die Lebensdauer des Materials deutlich verlängern.

Dieser bionische Ansatz hat das Potenzial, zahlreiche flexible Kunststoffe widerstandsfähiger zu machen. In weiteren Versuchen wollen die Wissenschaftler die molekulare Struktur der Polymere und die dynamische Ausbildung ionischer Bindungen genauer entschlüsseln. „Das wird uns den Weg zu neuen stabilen und selbstheilenden Materialien ebnen“, so Valentine. Anwendungen sehen die Forscher in stoßfesten Schutzhüllen und flexiblen und zugleich stabilen Materialien, die etwa bei der Entwicklung von Robotern eingesetzt werden könnten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2017/muscheln-als-vorbild-fuer-selbstheilende-materialien/