Eine neue Form von amorphem Eis

Jan Oliver Löfken

Eis in einem metallenen Behälter durchmischt mit metallenen Kugeln

Christoph Salzmann

Wasser erstarrt bei tiefen Temperaturen in zahlreichen Formen. Heute sind allein zwanzig verschiedene kristalline Eisformen bekannt, in denen sich die Wassermoleküle streng in bestimmten Strukturen anordnen. Doch Eis kann auch in ungeordneten, amorph genannten Formen vorkommen. Diese haben unterschiedliche Eigenschaften und sind beispielsweise mal schwerer und mal leichter als flüssiges Wasser. Ein Forschungsteam stellte nun eine neue Form von amorphem Eis her, das etwa so dicht ist wie Wasser. Über dieses Ergebnis berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Science“.

Auf der Erde gefriert Wasser natürlicherweise in eine kristalline Struktur. Doch in den Weiten des Universums kommt Wassereis wahrscheinlich am häufigsten amorph vor. Um mehr über diesen Zustand von Wasser herauszufinden, haben Christoph Salzmann vom University College London und seine Kollegen amorphes Eis nun im Labor hergestellt. Dazu füllten sie kristallines Wassereis in eine Kugelmühle, in der mehrere Stahlkugeln rotieren und so das eingefüllte Eis zerdrücken. Die Mühle kühlten die Wissenschaftler dabei mit flüssigem Stickstoff auf minus 196 Grad Celsius. Denn die bereits bekannten amorphen Formen traten bei diesen tiefen Temperaturen auf.

Nach zahlreichen Mahlzyklen blieb eine undurchsichtige Masse aus amorphem Eis übrig. Mithilfe von Röntgenstrahlen analysierten die Forscher das Eis und stellten fest, dass die kristalline Struktur tatsächlich vollkommen zerstört war. Danach bestimmten Salzmann und seine Kollegen die Dichte der amorphen Eismasse. Zu ihrer Überraschung lag diese bei 1,06 Gramm pro Kubikzentimeter und damit nur knapp über der Dichte von flüssigem Wasser.

Die neue Eisform mit einer mittleren Dichte belegt, dass die festen Phasen von Wasser bei tiefen Temperaturen noch vielseitiger sind als bisher angenommen. Für das Wassereis auf der Erde hat dieses Ergebnis zwar keine direkte Bedeutung. Doch die neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Vorgänge im Weltall – wie beispielsweise geologische Prozesse auf fernen Eismonden – besser zu verstehen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2023/festkoerperphysik-eine-neue-form-von-amorphem-eis/