Flüssiges Wasser bei tiefen Temperaturen

Jan Oliver Löfken

Künstlerische Abbildung eines Atommodells

Timothy Holland, Pacific Northwest National Laboratory

Tiefe Temperaturen alleine reichen nicht aus, um flüssiges Wasser zu Eis erstarren zu lassen. Damit sich Eiskristalle bilden können, ist etwa ein winziges Staubteilchen als Kondensationskeim nötig. Sonst bleibt Wasser selbst bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt flüssig. Physiker suchten nun nach der Ursache für die ungewöhnliche Stabilität dieses sogenannten unterkühlten Wassers. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, bleibt unterkühltes Wasser selbst bei minus 138 Grad Celsius flüssig.

„Flüssiges Wasser ist bei extrem kalten Temperaturen nicht nur relativ stabil, sondern es existiert auch in zwei verschiedenen Varianten“, sagt Greg Kimmel vom Pacific Northwest National Laboratory in Richland. Diese beiden Strukturen haben nicht nur eine unterschiedliche Dichte, auch die Wassermoleküle sind jeweils etwas anders zueinander angeordnet. Gemeinsam mit seinen Kollegen untersuchte Kimmel die zwei Varianten nun genauer. Dazu ließen sie zunächst einen hauchdünnen Wasserfilm auf einer extrem kalten Oberfläche gefrieren. Mit Laserblitzen erwärmten sie das gefrorene Wasser wiederholt auf Temperaturen von minus 138 bis minus 28 Grad Celsius. Dadurch bildete sich für wenige Nanosekunden eine Schicht aus flüssigem Wasser.

In einem nächsten Schritt ermittelten die Forscher, wie stark die dünnen Wasserschichten – während des schnellen Phasenwechsels von fest zu flüssig – Wärmestrahlung absorbierten. Diese Analyse lieferte Daten über die Anordnung der Bindungen in den Wassermolekülen. Und daraus schlossen die Forscher, in welchem Verhältnis die beiden Strukturvarianten im unterkühlten Wasser vorlagen. Die Experimente zeigen, dass sich dieses Verhältnis zwischen den zwei unterschiedlich dichten Varianten im untersuchten Temperaturbereich verschob. Laut Aussage der Forscher konnte dadurch das Bilden von Eiskristallen vermieden und die flüssige Phase stabilisiert werden.

Damit bestätigten die Messungen theoretische Modelle über die ungewöhnliche Stabilität von unterkühltem Wasser. Mithilfe der Ergebnisse lässt sich nun etwa auch die Existenz von flüssigem Wasser am tiefkalten Rande der Erdatmosphäre erklären. Zudem liefern die Experimente neue Details für die Entstehung von Graupel, bei dem sich in oberen Luftschichten unterkühltes, flüssiges Wasser an Schneekristalle bindet und bis zu fünf Millimeter große Klumpen bildet.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2020/fluessiges-wasser-bei-tiefen-temperaturen/