Hurrikane mit voller Wucht

Jan Oliver Löfken

Zeichnung eines weißen Wirbels vor dem Hintergrund einer Landkarte

Julio M. Barros Jr. and Lin Li/Fluid Mechanics Unit/OIST

Trifft ein Hurrikan mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 300 Kilometern pro Stunde auf die amerikanische Küste, verursacht er dort enorme Verwüstungen. Dieses Risiko könnte mit zunehmender Erderwärmung sogar noch größer werden. Zu diesem Schluss kommen Klimaforscher, die die Stärke der Wirbelstürme der vergangenen fünfzig Jahre untersuchten. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, werden die Hurrikane beim Übergang vom offenen Meer auf die Landfläche immer weniger abgeschwächt. Eine Ursache dafür fanden sie in der erhöhten Oberflächentemperatur des angrenzenden Meeres.

Noch in den späten 1960er-Jahre verloren Hurrikane während der alljährlichen Hurrikansaison – also vom 1. Juni bis zum 30. November – am ersten Tag des Übergangs vom Meer auf die Landfläche rund drei Viertel ihrer Intensität. Dagegen reduzierte sich die Stärke der Wirbelstürme zwischen 2015 und 2018 nur noch um etwa die Hälfte. Diesen Trend zeigte nun die Analyse von Lin Li und Pinaki Chakraborty vom Okinawa Institute of Science and Technology, die alle Hurrikane zwischen den Jahren 1967 und 2018 untersuchten. Die Forscher beobachteten außerdem die mittlere Oberflächentemperatur im Golf von Mexiko und in der Karibik. Diese lag in den 2010er-Jahren etwa ein Grad Celsius höher als fünfzig Jahre zuvor.

Mithilfe von Computersimulationen überprüften die Forscher, ob diese beiden Effekte miteinander zusammenhängen. Denn je wärmer die Meeresoberfläche ist, desto mehr Wasser verdunstet, das die Hurrikane wiederum aufnehmen könnten. Die Simulationen zeigten, dass bei höheren Wassertemperaturen die im Wirbelsturm gespeicherte Feuchtigkeit tatsächlich zunahm. Und je mehr Feuchtigkeit in einem Hurrikan gespeichert war, desto langsamer nahm die Stärke des Wirbelsturms ab. Im Vergleich dazu simulierten Li und Chakraborty auch Wirbelstürme, in denen keine Feuchtigkeit gespeichert war. Diese Hurrikane wurden beim Landgang – unabhängig von der Wassertemperatur – deutlich stärker abgeschwächt.

Die Analyse liefert starke Hinweise, dass Wirbelstürme im Zuge des Klimawandels tatsächlich auch auf Landflächen weniger Intensität verlieren und länger anhalten. Dadurch können Hurrikane weitere Strecken zurücklegen und immer größere Gebiete verwüsten. Li und Chakraborty warnen, dass auch bisher von Wirbelstürmen verschonte Regionen in Zukunft von Hurrikanen betroffen sein könnten. In weiteren Studien möchten die Forscher untersuchen, ob sich der Effekt auch in anderen Tropenregionen beobachten lässt.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2020/hurrikane-mit-voller-wucht/