„Keinerlei Anzeichen für eine bevorstehende Supernova“

Kim Hermann

Im Zentrum der Aufnahme befindet sich der hell leuchtende Stern Beteigeuze. Um ihn herum befinden sich viele kleine Lichtpunkte.

ESO/Digitized Sky Survey 2. Acknowledgment: Davide De Martin. Lizenz: CC BY 4.0

Beteigeuze – ein etwa 600 Lichtjahre von uns entfernter Roter Überriese im Sternbild Orion – sorgte in den vergangenen Monaten für Schlagzeilen. Denn seit Oktober 2019 verliert der Stern deutlich an Leuchtkraft. Diese Dunkelphase kündige womöglich eine Explosion von Beteigeuze an, war mancherorts zu lesen. Doch Hans-Thomas Janka vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching sieht darin keine Anzeichen für eine Supernova, wie er im Interview mit Welt der Physik berichtet.

Das Bild zeigt den Forscher Hans-Thomas Janka.

Hans-Thomas Janka

Welt der Physik: Momentan wird in den Medien viel über eine mögliche Sternexplosion von Beteigeuze spekuliert. Was passiert bei einer solchen Supernova?

Hans-Thomas Janka: Eine Supernova entsteht, wenn ein Stern mit mindestens der neunfachen Sonnenmasse am Ende seiner Entwicklung angelangt ist. Reicht sein Brennstoff nicht mehr aus, stürzt der Kern des Sterns in sich zusammen. Dabei setzt der Stern eine gewaltige Menge an Energie frei und leuchtet strahlend hell auf. Noch bis vor einigen Jahren dachte man, dass sich ein solcher Prozess überhaupt nicht ankündigt. Neue Beobachtungen zeigten jedoch, dass Sterne – die kurz vor ihrer endgültigen Explosion stehen – bereits einige Tage oder sogar Monate zuvor in abrupten Lichtausbrüchen aufleuchten. Auch die Helligkeit von Beteigeuze hat sich in den letzten Monaten verändert – allerdings wurde der Rote Überriese nicht heller, sondern verlor an Leuchtkraft. Diese Beobachtung ist also kein Anzeichen für eine bevorstehende Supernova.

Wie lässt sich das Abdunkeln von Beteigeuze dann erklären?

Beteigeuze ist ein sogenannter variabler Stern – seine Leuchtkraft unterliegt ständigen Schwankungen. Diese Helligkeitsschwankungen sind nicht willkürlich, sondern treten annähernd regelmäßig in zwei Zyklen auf. Während der eine Zyklus etwas länger als ein Jahr dauert, ist der zweite Zyklus etwa sechs Jahre lang. Im Augenblick befindet sich Beteigeuze in einer sehr dunklen Phase der Zyklen. Allerdings sind auch solche größeren Schwankungen eben durchaus zu erwarten, wenn auch recht selten. Auch früher gab es schon Zeitpunkte, zu denen Beteigeuze ähnlich dunkel war.

Wie entstehen diese Helligkeitsschwankungen?

Beobachtungen von Beteigeuze – etwa durch das Weltraumteleskop Hubble oder die Teleskopanlage ALMA – zeigen, dass der Stern selbst nicht gleichmäßig hell leuchtet. Das deutet auf heftige Materiebewegungen in seiner Hülle hin, vermutlich verbunden mit Masseverlust in starken stellaren Winden. Diese abgeblasene Materie sammelt sich dann wahrscheinlich in einer Wolke um den Stern. Diese sich ausdehnende und kühlende Gaswolke schirmt die Strahlung des Sterns so ab, dass er von der Erde aus teilweise dunkler erscheint. Da die stellaren Winde mit der Zeit variieren, ändert sich auch die von uns beobachtete Helligkeit von Beteigeuze. Weshalb die Gaswolken allerdings in verschiedenen Zyklen auftreten, ist bislang noch unklar. Ziel unserer Forschung ist es, die Prozesse hinter den Instabilitäten solcher variablen Sterne besser zu verstehen.

Können Sie sich das plötzliche mediale Interesse an Beteigeuze erklären?

Die Aufnahme zeigt Beteigeuze als einen leuchtenden Kreis. Die Helligkeit nimmt nach außen ab. Zum Vergleich sind die Orbits der Planeten unseres Sonnensystems als Kreise um das Zentrum von Beteigeuze eingezeichnet. Während die Orbits von Merkur, Venus, der Erde, Mars und Jupiter noch im Stern liegen, reicht lediglich der Orbit von Saturn bis über die Grenzen von Beteigeuze hinaus.

Größenvergleich zwischen Beteigeuze und unserem Sonnensystem

Beteigeuze ist aufgrund seiner geringen Entfernung zur Erde unter Amateurastronomen schon immer ein beliebtes Himmelsobjekt. Auch die Helligkeitsschwankungen, die man von der Erde aus beobachten kann, machen ihn interessant. Außerdem ist Beteigeuze als Roter Überriese – mit einer größeren Ausdehnung als der Orbit von Jupiter – definitiv ein möglicher Kandidat für eine Supernova. Ob die Explosion allerdings in hundert oder erst in zehntausend Jahren passiert, lässt sich nicht sagen. Es ist auch möglich, dass der Stern überhaupt nicht als Supernova endet, sondern zu einem Schwarzen Loch kollabiert. Sollte Beteigeuze allerdings tatsächlich irgendwann explodieren, wäre die Supernova auch für Forscher ein spektakuläres Ereignis.

Inwiefern ist eine solche Supernova für die Forschung interessant?

Momentan erwarten wir, dass sich die nächste Supernova in unserer Milchstraße höchstwahrscheinlich auf einer Distanz von etwa 10 000 bis 30 000 Lichtjahren ereignet. Denn in Richtung unseres galaktischen Zentrums kommen viele Sterne als Kandidaten für eine Supernova infrage. Mit 600 Lichtjahren ist die Distanz zu Beteigeuze deutlich geringer. Bei einer Explosion von Beteigeuze würden große Mengen an hochenergetischen Teilchen – wie etwa Neutrinos – freigesetzt, die sich auf der Erde nachweisen ließen. Außerdem würden bei einer Supernova auch Gravitationswellen entstehen, die wir mit unseren Detektoren nachweisen könnten. Die Möglichkeit, solche Signale zu untersuchen, käme für Physiker einem Lottogewinn gleich.

Hätte die Explosion denn auch direkte Auswirkungen für uns auf der Erde?

Nein, dafür ist Beteigeuze zu weit von uns entfernt. Die kritische Distanz einer Supernova, die unsere Lebensmöglichkeiten auf der Erde stark negativ beeinträchtigen könnte, ist etwa 200 Lichtjahre. Die Explosion von Beteigeuze würde die Erde zwar starker radioaktiver Strahlung aussetzen, allerdings würden die Atmosphäre und auch die Ozonschicht davon weitestgehend unbeschädigt bleiben. Wir müssen uns daher keine Sorgen über den Einfluss einer möglichen Explosion auf unsere Biosphäre machen. Außerdem gibt es für die Menschheit und das irdische Leben im Moment bedrohlichere und abwendbarere Gefahren, die uns mehr Sorgen machen sollten als eine Supernova-Explosion von Beteigeuze.


ESO/A. Fujii/Digitized Sky Survey 2/P. Kervella. Musik: John Dyson | Lizenz: CC by 4.0

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/sterne/keinerlei-anzeichen-fuer-eine-bevorstehende-supernova/