Supernova hinter der Linse

Rainer Kayser

Ein Galaxienhaufen, darin zu langen Bögen gestreckte Bilder von Galaxien

ESA/Hubble & NASA, A. Newman, M. Akhshik, K. Whitaker

Astronomen haben eine Supernova entdeckt, die sich von der Erde aus gesehen hinter einem großen Galaxienhaufen befindet – und schon drei Mal aufgeleuchtet ist. Denn der Galaxienhaufen wirkt wie eine große, aber unregelmäßig geformte Linse und erzeugt so mehrere Bilder des dahinter liegenden Objekts. Im Jahr 2037 ist sogar ein viertes Aufleuchten von ebendieser Sternexplosion zu erwarten, berichtet das Forscherteam im Fachblatt „Nature Astronomy“.

„Wenn das Licht eines weit entfernten Himmelsobjekts durch einen im Vordergrund liegenden Galaxienhaufen hindurchgeht, wirkt dieser als Gravitationslinse und erzeugt mehrere Bilder des Hintergrundobjekts“, erläutern Steven Rodney von der University of South Carolina in den USA und seine Kollegen. Denn der Galaxienhaufen krümmt aufgrund seiner enorm starken Gravitation sogar den Lichtweg und das Licht kommt zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf der Erde an. Schwankungen in der Helligkeit eines fernen Objekts nehmen wir dann zu unterschiedlichen Zeiten wahr. Diese zeitlichen Abstände hängen auch von der kosmischen Expansionsrate ab, die beschreibt, wie schnell sich das Universum ausdehnt. Somit lässt sich anhand der unterschiedlichen Zeitpunkte, wann das Aufleuchten der Supernova hier zu sehen ist, bestimmen, wie schnell sich das Weltall ausdehnt.

Bislang nutzten Astronomen diese Methode hauptsächlich bei Quasaren, den hellen Kernen weit entfernter Galaxien im jungen Kosmos. Doch bei diesen Objekten ist es schwierig, echte Helligkeitsänderungen von Störungen im Vordergrund der Gravitationslinse zu unterscheiden. Deshalb, so Rodney und seine Kollegen, benötige man viele Beobachtungen durch Gravitationslinsen, um verlässliche Daten für die Expansionsrate des Kosmos zu erhalten – und dennoch: Die Unsicherheit bleibt groß.

Die jetzt aufgespürte, als Requiem-Supernova bezeichnete Sternexplosion bietet dagegen die Chance, die Expansionsrate des Alls deutlich exakter zu bestimmen – auf bis zu ein Prozent Abweichung genau. Dazu untersuchten die Forscher das Licht der Sternexplosion, das 10,3 Milliarden Jahre bis zur Erde unterwegs war. Nachdem das Forscherteam die Supernova auf Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble aus dem Jahr 2016 entdeckt hatte, durchforsteten die Astronomen das Hubble-Archiv und stießen auf zwei weitere Bilder der Supernova, 17 Tage vor und 114 Tage nach der zunächst gefundenen Aufnahme.

Ausgehend von der Lage der Bilder und den Zeitunterschieden entwickelten Rodney und seine Kollegen ein Modell des 3,8 Milliarden Lichtjahre entfernen Galaxienhaufens, der als Gravitationslinse wirkt. Dabei stellte sich heraus, dass das Gravitationsfeld des Haufens ein weiteres Bild der Supernova produzieren sollte – und dass dieses erst im Jahr 2037 auf der Erde zu sehen sein wird. Da dann etwa 20 Jahre zum vorangegangenen Aufleuchten der Supernova zurückliegen, wird sich somit der zeitliche Abstand zwischen den Messungen auf wenige Tage, also unter ein Prozent des Zeitintervalls, genau bestimmen lassen.

Somit sei durch diese vierte Beobachtung der aufleuchtenden Supernova auch eine sehr genaue Bestimmung der kosmischen Expansion möglich, betonen die Forscher. Ähnliche Messungen erforderten dagegen bislang umfangreiche Beobachtungsreihen. Die Requiem-Supernova könnte sich also als Glücksfall für die Astrophysik erweisen. Denn durch die Vermessung der Bilder von abgebildeten Hintergrundgalaxien lässt sich der Galaxienhaufen noch besser modellieren und die Genauigkeit der Messungen noch steigern.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2021/supernova-hinter-der-linse/