Schwarze Löcher auf Kollisionskurs

Rainer Kayser

Unregelmäßig geformte leuchtende Gaswolken

ESO/NAOJ/NRAO

Einem internationalen Forscherteam ist es erstmals gelungen, die Umgebung von zwei auf Kollisionskurs befindlichen supermassereichen Schwarzen Löchern mit hoher Auflösung zu beobachten. Überrascht stellten die Astronomen dabei fest, dass sich von außen auf die Schwarzen Löcher zuströmendes Gas nicht wie erwartet in einer rotierenden Scheibe ansammelt, sondern sich chaotisch umherbewegt. Diese turbulenten Strömungen könnten eine wichtige Rolle bei der Sternentstehung in den zugehörigen Galaxien spielen, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Astrophysical Journal“.

Das 400 Millionen Lichtjahre entfernte Sternsystem NGC 6240 besitzt eine ungewöhnlich unregelmäßige Form: Es besteht aus zwei Galaxien, die seit Millionen von Jahren miteinander verschmelzen. Da jede der Galaxien in ihrem Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch besitzt, nähern sich auch diese Schwarzen Löcher einander an und werden schließlich miteinander kollidieren. Solche Verschmelzungen spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Galaxien. Doch wie genau die Kollision der Schwarzen Löcher im Detail verläuft und welchen Einfluss sie auf die Umgebung hat, ist bislang nicht bekannt.

„Der Schlüssel zum Verständnis einer solchen Galaxie ist das Gas“, erklärt Ezequiel Treister von der Päpstlichen Katholischen Universität von Chile. „Denn dieses Gas ist für die Entstehung neuer Sterne nötig. Es strömt aber auch in die Schwarzen Löcher und lässt sie anwachsen.“ Um die Bewegung des Gases in der Nähe der Schwarzen Löcher zu beobachten, nutzen Treister und seine Kollegen das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array, kurz ALMA. Die Teleskopanlage in der chilenischen Atacamawüste besteht aus insgesamt 66 Radioantennen mit einem Durchmesser von sieben bis zwölf Metern.

„Unsere neuen Aufnahmen mit ALMA zeigen erstmals, wie viel Gas sich im Einflussbereich der Schwarzen Löcher befindet“, sagt Teammitglied Anne Medling von der University of Toledo in den USA. Demnach handelt es sich um neun Milliarden Sonnenmassen – erheblich mehr als zuvor angenommen. Daher müssen die Astronomen die bislang geschätzte Masse der Schwarzen Löcher nach unten korrigieren: von einer Milliarde auf einige Hundert Millionen Sonnenmassen. „Wir vermuten, dass Massenschätzungen auch bei anderen ähnlichen Systemen bisher deutlich zu hoch ausfallen“, so Medling.

Überraschend für die Astronomen war auch, wie sich das Gas um die Schwarzen Löcher bewegt. Statt der erwarteten rotierenden Scheibe stießen die Forscher auf chaotische Strömungen, Filamente und Blasen. „Ein Teil des Gases wird sogar mit Geschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometern pro Sekunde nach außen katapultiert“, berichtet Treister. Was diese Strömungen verursacht, wissen die Forscher bislang allerdings noch nicht.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2020/schwarze-loecher-auf-kollisionskurs/