Wie das erste Licht entkam

Rainer Kayser

Lang gestreckter leuchtender Bogen mit hellen Regionen.

E. Rivera-Thorsen/Hubble Space Telescope

Astronomen haben erstmals direkt beobachtet, wie die Strahlung der ersten Sterne im jungen Kosmos in den intergalaktischen Raum entkommen und dort das Wasserstoffgas ionisieren konnte. Bisher war unklar, wie die energiereichen Photonen damals durch die dichten Gaswolken drangen, von denen die Sternentstehungsregionen in den noch jungen Galaxien umgeben waren. Offenbar entwich die Strahlung durch einen engen Kanal im Gas, berichten die Wissenschaftler nun im Fachblatt „Science“.

Etwa 400 000 Jahre nach dem Urknall war das Weltall so weit abgekühlt, dass sich elektrisch neutrale Atome bilden konnten – vor allem Wasserstoffatome, die aus jeweils einem Proton und einem Elektron bestehen. Einige Hundert Millionen Jahre später entstanden die ersten Sterne und Galaxien. Die energiereiche ultraviolette Strahlung der jungen Sterne in den ersten Galaxien ionisierte das Wasserstoffgas im frühen Kosmos erneut. „Damit diese sogenannte Reionisierungsepoche möglich war, musste die ultraviolette Strahlung jedoch aus den Galaxien entkommen“, erläutert Emil Rivera-Thorsen von der Universität Oslo in Norwegen. Um den Weg der ultravioletten Photonen durch die dichten Gaswolken nachzuverfolgen, sind die Sternentstehungsregionen allerdings zu weit entfernt: Selbst mit großen Teleskopen lassen sich in den mehrere Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxien keine Details dieses Prozesses beobachten.

Den Astronomen um Rivera-Thorsen kam jedoch ein Zufall zur Hilfe. Die elf Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie PSZ1-ARC liegt von der Erde aus gesehen genau hinter einem großen Galaxienhaufen – und dieser Galaxienhaufen lenkt mit seiner Gravitation die Lichtstrahlen der Galaxie ab. Durch diesen Gravitationslinseneffekt erscheint eine Sternentstehungsregion in PSZ1-ARC auf Bildern des Weltraumteleskops Hubble gleich zwölfmal. Zudem zeigen die Aufnahmen das Gebiet dank der Gravitationslinse erheblich vergrößert. Dadurch sind Einzelheiten sichtbar, die sich ohne Gravitationslinse nicht erkennen ließen. Die Beobachtungen des Teams offenbaren, dass die ultraviolette Strahlung der Sternentstehungsregion durch einen engen Kanal in den ansonsten dichten Gaswolken entkommt. Wie sich dieser Kanal formte, ist allerdings noch nicht verstanden.

Mit einer Entfernung von elf Milliarden Lichtjahren sehen die Astronomen die Galaxie PSZ1-ARC so, wie sie etwa zweieinhalb bis drei Milliarden Jahre nach dem Urknall ausgesehen hat. Damals war die Reionisierungsepoche zwar bereits abgeschlossen. Gleichwohl liefern die Beobachtungen erstmals einen Einblick in jene Prozesse, die während der Reionisierung eine wichtige Rolle gespielt haben, so die Forscher.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2019/wie-das-erste-licht-entkam/