Organische Moleküle im frühen Universum

Anne-Dorette Ziems

Leuchtende Ringstruktur auf dunklem Hintergrund. In der Mitte des Rings ist bläulich leuchtender Punkt im Vordergrund.

J. Spilker / S. Doyle, NASA, ESA, CSA

Ein neues Bild, aufgenommen mit dem James-Webb-Teleskop, lässt uns tief in die Geschichte von Galaxien im frühen Universum blicken: Eine Forschungsgruppe hat anhand der Aufnahme komplexe organische Kohlenwasserstoffverbindungen in einer zwölf Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie entdeckt. So weit entfernt wurden Moleküle dieser Art nie zuvor ausfindig gemacht. Möglich waren die Untersuchungen der weit entfernten Galaxie durch den sogenannten Gravitationslinseneffekt, wie das Team in der Fachzeitschrift „Nature“ berichtet.

Den Gravitationslinseneffekt hat bereits Albert Einstein in der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt. Er tritt auf, wenn sich zwei Galaxien von der Erde aus gesehen genau hintereinander befinden. Dann wird das Licht der hinteren Galaxie durch die Gravitation der vorderen Galaxie abgelenkt. Die vordere Galaxie wirkt so wie eine Lupe und die hintere Galaxie lässt sich vergrößert als Ringstruktur beobachten. Dieser Ring wird auch Einsteinring genannt.

Strahlengangs von der Galaxie SPT0418-47 bis zum James-Webb-Teleskop. Die geraden Lichtstrahlen der hinteren Galaxie werden an der Galaxie im Vordergrund gekrümmt. Eine Ringstruktur ist dort abgebildet.

Wie entsteht ein Einsteinring?

Diesen Effekt haben Justin Spilker von der Texas A&M University in den USA und sein Team nun genutzt, um die Galaxie SPT0418-47 zu untersuchen. Sie ist von der Erde aus gesehen hinter einer weiteren Galaxie vergrößert zu beobachten und ist rund 12 Milliarden Lichtjahre entfernt – ihr Licht benötigte also Milliarden Jahre, bis es bei uns ankommt. Zum Vergleich: Unser Universum ist jetzt 13,8 Milliarden Jahre alt. Somit blickten die Forschenden auf die Galaxie, so wie sie im frühen Universum nur 1,5 Milliarden Jahre nach dem Urknall aussah.

Die Galaxie SPT0418-47 ist zwar schon seit dem Jahr 2013 bekannt und mit verschiedenen Teleskopen untersucht worden, aber mit dem James-Webb-Teleskop ließen sich dank der als kosmische Lupe fungierenden Galaxie im Vordergrund nun detaillierte Beobachtungen machen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Spilker haben Infrarotspektren von SPT0418-47 aufgenommen. So spürten sie dort nun erstmals bestimmte organische Verbindungen auf – sogenannte polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe.

Solche Kohlenwasserstoffverbindungen sind auf der Erde weit verbreitet: Sie tragen etwa in Rauch, Ruß oder Smog zur Luftverschmutzung bei. Auch im Weltraum seien diese großen Moleküle keine Seltenheit, erklärt Spilker. Bisher hätten Astronominnen und Astronomen die Moleküle als Zeichen für neu entstehende Sterne gedeutet. Die neuesten Untersuchungen zeigen jedoch, dass das vielleicht nicht immer stimmt. Denn die Forschungsgruppe fand sowohl Sternentstehungsgebiete ohne die besonderen Moleküle, als auch Regionen mit solchen Kohlenwasserstoffverbindungen, in denen keine Sterne entstehen.

Spilker und sein Team hoffen nun auf die Gelegenheit, mit dem James-Webb-Teleskop in Zukunft noch weitere Galaxien zu untersuchen. So wollen sie noch mehr über den Zusammenhang zwischen organischen Molekülen und Sternentstehung lernen. Außerdem möchten sie Galaxien finden, die so jung sind, dass noch gar keine komplexen Moleküle entstehen konnten, um zu erforschen, was das für die Sternentstehung bedeutet.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2023/james-webb-teleskop-organische-molekuele-im-fruehen-universum/