Hochdruckkristalle aus dem Erdmantel

Jan Oliver Löfken

Visualisierung einer augeschnittenen Erde und den verschiedenen Schichten im Erdinneren

vchal/iStock

Rund die Hälfte der Wärme in der Erde beruht darauf, dass Atomkerne bestimmter Elemente zerfallen und Strahlung abgeben. Das entspricht einer enormen Leistung von etwa 28 000 Gigawatt. Ein wichtiger Schritt, um die Verteilung dieser Elemente im Erdmantel zu verstehen, ist Geophysikern nun mit der Entdeckung eines speziellen Kristalls gelungen. In der Fachzeitschrift „Science“ berichten sie, wie sie diesen Kristall in einem Diamanten aus dem Erdmantel aufgespürt haben.

Frühere Experimente hatten bereits gezeigt, dass der radioaktive Zerfall von Elementen wie Uran, Thorium und Kalium etwa die Hälfte der Erdwärme, vor allem im Erdmantel, liefert. Doch bislang beruhen die Annahmen, wie sich diese im Erdmantel verteilen, auf Modellen. Eine wichtige Rolle spielen dabei würfelförmig aufgebaute Kristalle – Kalziumsilikatperowskite –, die im Erdmantel die radioaktiven Elemente beinhalten und transportieren könnten. Nachweisen ließen sich diese Kristalle jedoch noch nicht – denn sie sind nur stabil, wenn sie unter extrem hohen Drücken von rund 40 Gigapascal – das entspricht dem 400 000-fachen Atmosphärendruck – zusammengepresst werden. Nun hat aber eine Forschergruppe um Oliver Tschauner von der University of Nevada genau diesen kubischen Kristall, eingeschlossen in einem Diamanten, aufgespürt.

Hierfür analysierten die Forscher Diamanten aus einer Mine nahe der Stadt Orapa in Botswana mithilfe von Röntgenstrahlen an der Advanced Photon Source unweit von Chicago. Aus der Streuung der Strahlen an der Probe rekonstruierten die Forscher die Struktur der im Diamanten eingeschlossenen Kristalle und benannten den entdeckten Kristall zu Ehren eines Geowissenschaftlers mit dem Namen Davemaoit. Neben Uran und Thorium wiesen sie hohe Anteile an Kalium in den Kristallen nach. Damit bestätigten sie die bisherige Annahme, dass die Kristalle im Erdmantel verschiedene radioaktive Elemente beinhalten können.

Dass die Kristalle nun nahe der Erdoberfläche zu finden waren, liegt maßgeblich an den Diamanten, in denen sie eingeschlossen waren. Denn normalerweise sind die nachgewiesenen Kristalle nur unter dem hohen Druck im unteren Erdmantel stabil. Dank der extremen Härte und Stabilität der umgebenden Diamanten waren die Kristalle jedoch geschützt und gelangten von dort – in mindestens 660 Kilometern Tiefe – im Laufe der Erdgeschichte durch den Erdmantel und die Erdkruste bis zu den Fundorten. Auf diese Weise konnten die Kristalle ihre besondere Kristallstruktur bis an die Erdoberfläche bewahren und erstmals experimentell nachgewiesen werden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2021/hochdruckkristalle-aus-dem-erdmantel/