Wie die ersten Kontinente (nicht) entstanden

Jan Oliver Löfken

Meer, im Hintergrund ein Vulkan und ein Blitz am Himmel

NASA

Über lange Zeit war die junge Erde ein Wasserplanet. Doch vor etwa 2,5 Milliarden Jahren hoben sich größere Landmassen und bildeten wahrscheinlich einen ersten Urkontinent, Kenorland genannt. Die Ursache für die Hebung liegt in der geringeren Dichte der kontinentalen Kruste im Vergleich zur schwereren ozeanischen Kruste. Zwei Wissenschaftlerinnen sind nun den geologischen Prozessen auf den Grund gegangen, die zu einer leichteren kontinentalen Kruste geführt haben könnten – und stellen in ihrer Studie, die in der Fachzeitschrift „Science“ erschien, die bisherige Erklärung teilweise in Frage.

Die Kontinentalplatten bildeten sich aus fest gewordenem Magma, das von Vulkanen an den Plattengrenzen stammte. Ihre Zusammensetzung ist deshalb etwas anders als die der Platten unter den Ozeanen: Analysen von Gesteinsproben zeigen, dass die Erdkruste der Kontinente weniger Eisen enthält – und dass das dort vorhandene Eisen stärker oxidiert, also mit Sauerstoff verbunden, ist. Deshalb sind die Kontinentalplatten weniger dicht. So schwimmen sie auf dem Magmaozean des Erdmantels etwas weiter oben und ragen weit genug aus dem Wasser hervor, um Kontinente zu bilden.

Vergrößernde Aufnahme von verschiedenfarbigen Kristallen

Mikroskopische Aufnahme des Experiments

Eine populäre Theorie besagt: Schuld am Eisenmangel der Kontinentalplatten ist die Kristallisation von Gesteinen aus der Granatgruppe im Magma unter den Vulkanen. Denn wenn diese Minerale entstehen, wird ein großer Teil des Eisens oxidiert. Dabei sind zwei verschiedene Oxidationsstufen von Eisen im Spiel: Eisen-2-Kristalle, die pro Eisenatom ein Sauerstoffatom binden, und Eisen-3-Verbindungen, in denen drei Sauerstoffatome und zwei Eisenatome zusammen finden. Bei der Granatkristallisation bleiben mehr stärker oxidierte Eisen-3-Verbindungen übrig – und das ist, relativ betrachtet, leichter. Damit nimmt die Dichte der flüssigen Gesteinsmassen ab, aus denen sich schließlich die Platten formten.

Um diese Hypothese zu testen, stellten Megan Holycross und Elizabeth Cottrell vom National Museum of Natural History der Smithsonian Institution in Washington diesen Prozess im Labor nach. In ihrem Experiment simulierten sie die Bedingungen unter den Vulkanen, wo die Granatkristallisation stattgefunden hat: Die Forscherinnen schmolzen zahlreiche Gesteinsproben bei 1230 Grad Celsius. In einer Hochdruckzelle setzten sie das geschmolzene Gestein extrem hohem Druck aus: bis zu drei Gigapascal, das 30 000-Fache der Erdatmosphäre. Die Struktur und Zusammensetzung der resultierenden Proben analysierten sie mit Röntgenstrahlung.

Die Ergebnisse zeigten, dass Oxidation tatsächlich die relativen Anteile von Eisen in den Proben um etwa 20 Prozent verringerte. Doch die Forscherinnen konnten in den Proben nicht signifikant mehr leichtere Eisen-3-Verbindungen feststellen. Ihre Schlussfolgerung: Die Oxidation im Verlauf der Granatkristallisation reichte allein offenbar nicht aus, um die Bildung der leichten kontinentalen Erdkruste zu erklären. „Es ist wahrscheinlicher, dass die Bedingungen im Erdmantel unter der kontinentalen Kruste eine wichtige Rolle für die Oxidation gespielt haben“, sagt Cottrell. Bei der Hebung der Kontinente waren also wahrscheinlich doch kompliziertere geologische Prozesse im Spiel als bisher angenommen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2023/erdgeschichte-wie-die-ersten-kontinente-nicht-entstanden/