„Wie sich winzige Diamanten bilden“

Dirk Eidemüller

Grafik: Ein Planet im All, für den geschwungene Linien eine Bewegung angeben; aus dem Planeten ist eine Art Tortenstück herausgetrennt: Dieses dreieckige Gebilde zeigt Diamantenregen auf dem Planeten

European XFEL/Tobias Wüstefeld

Diamanten entstehen unter sehr hohem Druck. Das geschieht wahrscheinlich nicht nur im Erdinneren, sondern auch im Inneren von Eisplaneten, wie Neptun oder Uranus. Es wird seit langem vermutet, dass sich im Inneren solcher Eisriesen langkettige Kohlenwasserstoffe aus Methan bilden. Aber wie stabil diese sind und bei welchen Bedingungen sie sich in Kohlenstoff – also Diamant – und Wasserstoff auftrennen, war bislang umstritten. Clemens Prescher von der Universität Freiburg berichtet von neuen Experimenten am European XFEL in Hamburg, mit denen dies erstmals in hoher Zeitauflösung beobachtet werden konnte.

Welt der Physik: Welche Bedingungen müssen herrschen, damit sich Diamanten bilden?

Porträt des Wissenschaftlers Clemens Prescher

Clemens Prescher

Clemens Prescher: Es kommt auf die Kombination von Druck und Temperatur an, wie schnell Diamant aus Kohlenwasserstoffen entsteht. Hat sich der Edelstein erst einmal gebildet, ist er chemisch überaus stabil. Wir haben unsere Experimente bei Drücken zwischen 19 und 27 Gigapascal durchgeführt. Das entspricht einer Tiefe von rund 500 bis 700 Kilometern unter der Erdoberfläche. Bei Temperaturen von über 2200 Grad Celsius konnten wir die Bildung kleiner Diamantkristalle beobachten.

Welche Verfahren gibt es, um das Entstehen von Diamanten experimentell zu untersuchen?

Es gibt dafür zwei sehr unterschiedliche Verfahren. Beide haben ihre Vor- und Nachteile. Das erste Verfahren ist die Schockkompression, in der eine kohlenwasserstoffhaltige Probe mit sehr starken, kurzen Laserpulsen beschossen wird. Dies erzeugt eine Schockwelle im Material, die so hohe Drücke und Temperaturen erzeugt, dass winzige Diamanten entstehen können. Das zweite Verfahren, welches wir in unseren Experimenten angewandt haben, beruht darauf, dass in sogenannten Diamantstempelzellen dauerhaft ein enorm hoher Druck erzeugt werden kann. Solche Zellen nutzen die Härte von Diamant, indem die Probe zwischen zwei Diamantspitzen zusammengepresst wird. Dann kann man von außen, etwa mit einem Laser- oder starkem Röntgenstrahl, Hitze zuführen, sodass sich aus dem kohlenwasserstoffhaltigen Material Diamant bildet.

Was war die Besonderheit Ihrer neuen Versuche?

Bislang hatten derartige Versuche in Diamantstempelzellen mit dem Problem zu kämpfen, dass man nur Analysen mit unzureichender zeitlicher Auflösung durchführen konnte. Wir haben nun die einzigartigen Möglichkeiten des European XFEL genutzt. Dieser Freie-Elektronen-Laser erzeugt einen hochbrillanten Röntgenstrahl mit sehr schnellen Pulsen, der für unsere Zwecke hervorragend geeignet war.

Warum ist dieser Röntgenstrahl so gut für Ihre Versuche geeignet?

Die Intensität der Röntgenpulse am European XFEL ist so hoch, dass man sie nicht nur zum Messen von strukturellen Informationen der Probe nutzen kann, sondern auch zum Aufheizen der Probe selbst. In der Tat war bei den ersten Experimenten unsere Besorgnis groß, dass die zugeführte Energie die Diamantstempelzelle einfach platzen lassen könnte. Es stellte sich aber schnell heraus, dass dies nicht der Fall ist. Neben der hohen Intensität ist der kurze Abstand zwischen den Pulsen bei dieser Röntgenquelle ebenfalls sehr vorteilhaft: Die intensiven Röntgenpulse prasseln mit einer Frequenz von 4,5 Megahertz auf die Probe. Zwischen jedem Röntgenpuls liegen nur 220 Nanosekunden, also 220 milliardstel Sekunden. Das leistet weltweit keine andere Röntgenquelle. Und am HED-HIBEF genannten Instrument existiert auch eine Röntgenkamera, die schnell genug ist, um die Bilder von der bestrahlten Probe mit dieser Frequenz aufzunehmen.

Wissenschaftlerin hinter einem metallischen kastenartigen Gerät in einem Labor

Experimentierstation am European XFEL

Was für eine Probe haben Sie untersucht?

Wir haben Polystyrol, einen handelsüblichen Kunststoff, zusammen mit einer dünnen Goldfolie in der Diamantstempelzelle positioniert. Die Goldfolie diente als Heizelement, da sie die Energie der Röntgenpulse besser absorbiert als das Polystyrol. Beim Auftreffen der Röntgenpulse auf die Probe bewirkten die ersten zwanzig Pulse, dass sich die Probe auf über 2200 Grad Celsius aufheizte. Das ist in Kombination mit dem hohen Druck ausreichend, um Diamant zu bilden.

Was haben Sie dann genau vermessen?

Wir haben erstmals die Entstehung von Diamanten aus Kohlenwasserstoffen sozusagen als Kurzfilm dokumentiert. Über einen Zeitraum von rund 70 Mikrosekunden – also 70 millionstel Sekunden – haben wir 352 Röntgenpulse auf die Probe geschickt. Kurz nach der Phase des Aufheizens sahen wir im Röntgendetektor charakteristische Beugungsmuster, die die Anwesenheit von Diamantkristallen anzeigten. Schon auf der kurzen Zeitskala von rund 30 Mikrosekunden waren winzige Diamanten entstanden. Diese Ergebnisse stellen eine wichtige Verbindung zwischen früheren Versuchen mit Diamantstempelzellen und den vorhin erwähnten Schockexperimenten her, wodurch wir jetzt ein präziseres Verständnis der Bildung von Diamant aus Kohlenwasserstoffen haben.

Und was haben Ihre Ergebnisse mit den Eisriesen zu tun?

Nun ist klar, dass zur Bildung von Diamanten geringere Drücke und Temperaturen erforderlich sind, als man bislang anhand der Schockexperimente dachte. Das ist nicht zuletzt für die Planetenforschung von Interesse. Die geringeren Druck- und Temperaturerfordernisse deuten darauf hin, dass es nicht nur in Eisriesen wie Uranus oder Neptun zur Diamantbildung kommen kann, sondern auch in kleineren Eisplaneten, den sogenannten Mini-Neptuns. Etwa ein Drittel der bisher entdeckten Exoplaneten wird dieser Kategorie zugeordnet. Die Bildung von Diamanten sollte aufgrund der höheren Dichte im Vergleich zu den umgebenden Komponenten zu einem „Diamantregen“ im Inneren dieser Planeten führen. Gerade dieser Vorgang könnte ein Schlüssel dafür sein, die komplexen Magnetfelder von Neptun und Uranus zu erklären. Unsere neuen Laborergebnisse liefern die Grenzwerte, bei welcher Tiefe im Planeteninneren der „Diamantregen“ beginnen könnte. Das hilft, solche Prozesse genauer zu modellieren und zu verstehen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/teilchen/licht/e-xfel/european-xfel-wie-sich-winzige-diamanten-bilden/