Der innere Erdkern dreht sich langsamer

Jan Oliver Löfken

Eine aufgeschnittene Erde, bei der im Inneren ein hell leuchtender Erdkern zum Vorschein kommt.

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Unter dem Erdmantel, in etwa 2900 Kilometer Tiefe, beginnt der flüssige Kern der Erde. In seinem Innern, ab 5150 Kilometer Tiefe, befindet sich ein fester Kern aus Eisen und Nickel, in dem eine Temperatur von rund 6000 Grad Celsius und ein Druck von 330 Gigapascal herrschen. Genau wie die anderen Erdschichten rotiert auch der innere Erdkern um die Erdachse – allerdings nach bisheriger Kenntnis ein wenig schneller als der Erdmantel. Doch offenbar hat sich diese Drehung in jüngster Zeit verlangsamt. Zu diesem Ergebnis kamen Geowissenschaftler mit der Analyse von Erdbebendaten, die sie nun in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ veröffentlichten.

Da Forscher mit Bohrungen nur höchstens zwölf Kilometer tief in die Erdkruste vordringen können, untersuchen sie das Erdinnere stattdessen mithilfe von indirekten Messmethoden. So analysieren sie beispielsweise Erdbebenwellen, die sich durch die gesamte Erde – und damit auch durch den inneren Erdkern – ausbreiten. Insbesondere vergleichen Wissenschaftler Beben gleicher Stärke am etwa gleichen Ort, aber zu unterschiedlichen Zeitpunkten, miteinander – sogenannte seismische Dubletten. Weisen die Messungen solcher Beben kleine Unterschiede auf, deutet das darauf hin, dass sich der Untergrund und damit die Lage des inneren Kerns relativ zum Erdmantel verändert hat. Daraus können Geophysiker Informationen über die Rotation des inneren Erdkerns gewinnen. Frühere Analysen von 38 Dubletten aus den Jahren 1967 bis 1995 ergaben so, dass der innere Erdkern im Vergleich zum Erdmantel etwas schneller rotiert – teilweise sogar um einige Zehntel Grad pro Jahr.

Yi Yang und Xiaodong Song von der Universität Peking analysierten nun mehrere Dutzend jüngerer seismischer Dubletten von Erdbeben im Zeitraum zwischen 1995 und 2020. Dabei stellten sie fest, dass ab dem Jahr 2009 keine signifikanten Unterschiede in den Dubletten mehr auftraten. Daraus folgerten sie, dass die Rotation des inneren Erdkerns in jüngster Zeit zur Ruhe kam. Dies sehen sie als Anzeichen, dass der innere Kern in Zukunft weiter abbremsen und sogar langsamer als der Erdmantel rotieren könnte.

Bereits in den frühen 1970er-Jahren gab es Hinweise auf einen solchen Wechsel im Rotationsverhalten des inneren Kerns. Yang und Song vermuten dahinter einen Zyklus, der sich etwa alle sieben Jahrzehnte umkehrt. Das Verhalten könnte nach ihrer Meinung sogar mit Veränderungen in Zusammenhang stehen, die an der Erdoberfläche beobachtet wurden – wie kleinen Schwankungen des Magnetfelds und der exakten Tageslänge. Um diese Annahme allerdings zu bestätigen, muss das dynamische Verhalten der Erdschichten zunächst noch weiter analysiert werden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2023/seismologie-der-innere-erdkern-dreht-sich-langsamer/