„Im Röntgenbereich sehen wir das stark erhitzte Plasma“

Dirk Eidemüller

Links: Gelbe blasenähnliche Form, in deren Mitte sich ein heller Punkt befindet; Rechts: gleiche Form, nur dass ihre Hülle aus Punkten besteht

MPE, J. Sanders for the eROSITA consortium

Auf der Suche nach Röntgenquellen begann das Weltraumteleskop eROSITA vor fast fünf Jahren, den gesamten Himmel zu durchmustern. Im Jahr 2021 wurde bereits ein erster Datensatz vom Beginn der Mission veröffentlicht. Nun wurde der erste eROSITA-All-Sky-Survey-Katalog veröffentlicht, der rund 900 000 Röntgenlichtquellen beinhaltet und damit einen enormen Datenschatz für Astronominnen und Astronomen weltweit zur Verfügung stellt. Manami Sasaki von der Universität Erlangen-Nürnberg erzählt, warum diese Daten für ihre Forschung so wichtig sind.

Welt der Physik: Was bedeutet die neue Datenveröffentlichung für die Astronomie?

Porträt der Wissenschaftlerin Manami Sasaki

Manami Sasaki

Manami Sasaki: eROSITA liefert einen wunderbaren Überblick über das ganze Universum im Bereich der weichen Röntgenstrahlung. Damit eignen sich diese Beobachtungen auch hervorragend, um die großräumige Verteilung von Galaxienhaufen im Kosmos zu kartieren. Einige Arbeitsgruppen wollen daraus zum Beispiel das Wechselspiel von Dunkler Materie und Dunkler Energie analysieren, durch das die großen Strukturen im Weltall bestimmt werden. Das zeigt, dass Teleskope wie eROSITA sehr vielfältige Forschungsmöglichkeiten bieten. Die jetzige Datenveröffentlichung entspricht der ersten vollständigen Himmelskartierung, die je ein halbes Jahr dauert. Insgesamt vier vollständige Kartierungen hat eROSITA bislang durchgeführt. Es wird also noch weitere Veröffentlichungen geben, wobei der Röntgenhimmel sukzessive immer klarer und reichhaltiger wird. So wurden im Rahmen der ersten sechsmonatigen Himmelskartierung schon etwa 60 Prozent mehr Röntgenquellen beobachtet, als bislang überhaupt bekannt waren. Zu den etwa 900 000 Quellen zählen mehr als 700 000 Schwarze Löcher, knapp 200 000 Sterne in der Milchstraße und 12 000 Galaxienhaufen.

Welche astronomischen Quellen erforschen Sie mithilfe der neuen veröffentlichten Daten von eROSITA?

Meine Arbeitsgruppe fokussiert sich auf ausgedehnte Röntgenquellen. Entfernte Galaxienkerne – also die supermassereichen Schwarzen Löcher mit ihren Akkretionsscheiben und großen Jets – sind auf Röntgenaufnahmen nur als Punktquellen erkennbar. Aber in unserer eigenen Galaxie, der Milchstraße, und in den Galaxien in ihrer Umgebung lassen sich auch ausgedehnte Quellregionen ausmachen. Dazu gehören nicht nur Überreste von Supernovae, sondern auch heißes Plasma, das von dem Sternenwind großer Sterne und ihren Explosionen aufgeheizt wird. Außerdem untersuchen wir die Röntgenemission von Weißen Zwergsternen, insbesondere aus den Zwerggalaxien, die unsere Milchstraße umgeben.

Was macht die Zwerggalaxien rund um die Milchstraße so interessant?

Das Schöne an den Satellitengalaxien der Milchstraße ist, dass wir unterschiedliche Dinge an ihnen studieren können. Wir interessieren uns, wie gesagt, vor allem für die Röntgenstrahlung der Weißen Zwerge. Das sind ausgebrannte Sterne, die früher einmal ähnlich schwer wie unsere Sonne waren. Wenn sie ihren Treibstoff verbrannt haben, fallen sie zu kompakten, heißen Objekten zusammen, auf deren Oberfläche eine enorme Schwerkraft herrscht. Wenn sich ein solcher Weißer Zwerg in einem Doppelsternsystem befindet, kann er Materie von seinem Begleiter abziehen. Wenn diese Materie auf den Weißen Zwerg knallt, wird Röntgenstrahlung freigesetzt. Bislang sind nur wenige solcher Systeme in den kleinen Satellitengalaxien bekannt, mithilfe der Himmelsdurchmusterung von eROSITA hoffen wir, noch einige weitere zu entdecken.

Unterscheiden sich die Zwerggalaxien dabei voneinander?

Gelbe blasenähnliche Struktur im All mit einem hellen Stern in der Mitte

Eine Hälfte des Röntgenhimmels

Es gibt einen sehr wichtigen Unterschied: Die größeren Satellitengalaxien, vor allem die Große und die Kleine Magellansche Wolke, weisen noch Sternentstehung auf. Auf diese Galaxien haben wir einen guten Blick, der nicht durch interstellare Materie verstellt ist. Beim Blick auf unsere eigene Galaxie gibt es stets das Problem, dass wir uns selbst innerhalb der galaktischen Scheibe mitsamt ihrer Gas- und Staubmassen befinden. Das schränkt die Beobachtungsmöglichkeiten stark ein. Auf die Magellanschen Wolken und auch auf die Andromeda-Galaxie haben wir aber einen guten Blick.

Und die kleineren Zwerggalaxien?

Diese haben die Sternentstehung zum Teil schon eingestellt. Sie haben also ihr Gas entweder bereits in Sterne und kompakte Objekte – also Weiße Zwerge, Neutronensterne oder Schwarze Löcher – umgewandelt oder durch Wechselwirkungen mit der Milchstraße an unsere Galaxie verloren. Sie haben ihre Sternentstehung teilweise schon vor über einer Milliarde Jahren eingestellt. Das ermöglicht also gewissermaßen einen Blick zurück in die Vergangenheit, und auch in die ehemaligen Bedingungen in der Milchstraße.

Und wie sieht es mit Quellen innerhalb der Milchstraße aus?

Das sind einerseits die Überreste einer Supernova, also die auseinanderstrebenden Gaswolken nach einer Sternexplosion. Durch diese Gasmassen laufen Stoßwellen, die das Plasma zum Teil stark aufheizen. Dadurch entsteht nicht nur Röntgenstrahlung, sondern manche Teilchen können auch zu extrem hohen Energien beschleunigt werden. Das sieht man dann nicht mehr mit eROSITA, sondern mit speziellen Teleskopen, die Gammastrahlung nachweisen. Daran sieht man, dass man zur Identifikation solcher Quellen verschiedene Beobachtungen bei unterschiedlichen Wellenlängen benötigt. Das gilt nicht nur für Überreste von Supernovae, denn wir kombinieren immer Röntgenaufnahmen mit denen von optischen und Infrarot-Teleskopen. Zur Identifikation von Quellen muss man nämlich ausschließen, dass die Strahlung von Sternen im Vordergrund oder Galaxien im Hintergrund stammt.

Wie gut ist heißes Plasma in der Milchstraße sichtbar?

In Sternenentstehungsregionen und auch im Umfeld heißer Sterne ist das Plasma stark aufgeheizt. Bekannte Beispiele dafür sind der Orionnebel und der Carinanebel. Mithilfe von eROSITA untersuchen wir auch diese Regionen und können dadurch die Beobachtungen im optischen und Infrarotbereich ergänzen. Denn im Röntgenbereich sehen wir insbesondere das stark erhitzte Plasma, das mit normalen Teleskopen nicht zu sehen ist.

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/teleskope-und-satelliten/erosita-im-roentgenbereich-sehen-wir-das-stark-erhitzte-plasma/