Ein wohltemperierter Planet mit Gezeitenheizung

Rainer Kayser und Redaktion

Ein Raumfahrzeug fliegt auf einen Planeten zu

NASA/JPL-Caltech/T. Pyle (IPAC)

In einer Entfernung von 86 Lichtjahren umkreist ein erdgroßer Planet einen Roten Zwergstern. Und auf diesem Planeten könnte es Wasser und starken Vulkanismus geben. Das zeigen Beobachtungen eines Forschungsteams mit zahlreichen Teleskopen auf der Erde und im Weltall. Die mittlere Temperatur auf der Oberfläche des Planeten liege vermutlich im Bereich zwischen 25 und 125 Grad Celsius, berichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

Rote Zwergsterne bieten Astronominnen und Astronomen bei der Suche nach erdähnlichen, lebensfreundlichen Planeten gleich zwei Vorteile: Erstens sind sie kleiner und leuchten schwächer als sonnenähnliche Sterne. Zieht ein kleiner Planet ähnlich der Erde vor einem solchen Zwergstern vorüber, so schwächt er dessen Helligkeit deshalb stärker ab – und ist leichter zu entdecken. Zweitens liegt die lebensfreundliche Zone, in der es flüssiges Wasser auf einem Planeten geben kann, näher am Stern, da Rote Zwergsterne schwächer strahlen. Planeten, die Rote Zwerge in diesem Bereich umkreisen, haben also erheblich kürzere Umlaufzeiten als die Erde. Dadurch kommt es entsprechend häufiger zu Vorübergängen vor dem Stern, bei denen sich ein solcher Planet gut beobachten lässt.

Bei dem Roten Zwergstern LP 791-18 hatte das Weltraumteleskop TESS bereits zwei Planeten nachgewiesen: Zum einen eine heiße Supererde, also einen großen Gesteinsplaneten, mit einer Umlaufzeit von knapp unter einem Tag. Zum anderen einen winzigen Gasplaneten, der etwa die siebenfache Masse der Erde besitzt und den Stern alle fünf Tage umrundet. Merrin Peterson von der Universität Montreal in Kanada und ihr Team haben den Stern nun noch einmal 127 Stunden lang mit dem Weltraumteleskop Spitzer beobachtet.

Dabei haben sie zwischen den beiden bekannten Planeten einen weiteren aufgespürt. Die Astronominnen und Astronomen beobachteten das System dann mit vielen weiteren Teleskopen und erfassten insgesamt 43 Vorübergänge des neuen Planeten vor seinem Stern.

Aus den gesammelten Daten konnten die Forschenden auch einige Eigenschaften des Planeten berechnen: Er hat eine Masse von 0,9 Erdmassen und einen Radius von 1,03 Erdradien – damit ähnelt er erstaunlich unserer Erde. Die Forschenden vermuten daher auch, dass es sich wie bei der Erde um einen Gesteinsplaneten handelt. Mit einer Umlaufzeit von 2,75 Tagen zieht der Planet seine Bahn in der lebensfreundlichen Zone des Sterns und seine mittlere Temperatur liegt nach Schätzungen des Teams zwischen 25 und 125 Grad Celsius.

Allerdings besitzt der Planet aufgrund seiner Nähe zum Stern eine gebundene Rotation: Er wendet dem Stern ständig dieselbe Seite zu. Deshalb sind die Temperaturunterschiede zwischen Tag- und Nachtseite vermutlich groß. Auf der Nachtseite könnte es nach Ansicht der Forschenden jedoch große Mengen an Wasser geben, wie Modellierungen der Entstehung und Entwicklung des Planeten zeigen.

Die Beobachtungen von Petersen und ihrem Team zeigen außerdem, dass der neue Planet sich durch die Anziehungskraft des Gasplaneten auf einer deutlich elliptischen Bahn bewegt. Da sich auf dieser Bahn der Abstand von seinem Stern ständig ändert, ist der erdgroße Planet Gezeitenkräften ausgesetzt, die sein Inneres aufheizen: Der Stern zieht unterschiedlich stark an verschiedenen Teilen des Planeten und verformt ihn leicht – je nachdem, wo auf seiner Bahn der Planet sich befindet, ändert sich, wo er sich verformt. Dabei wird im Inneren des Planeten Wärmeenergie frei. Deshalb gebe es vermutlich starke vulkanische Aktivität auf dem erdgroßen Planeten, so Petersen: „Diese könnte die Atmosphäre mit Gasen anreichern, die sich vielleicht mit weiteren Beobachtungen nachweisen lassen.“

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2023/exoplaneten-ein-wohltemperierter-planet-mit-gezeitenheizung/