Kleinere Planeten, größere Monde

Rainer Kayser

Erde und Mond nebeneinander

Evgeny555/iStock

Unser Mond hat einen Durchmesser von rund 3470 Kilometern, was mehr als einem Viertel des Erddurchmessers entspricht. Das macht ihn zu einem Sonderfall in unserem Sonnensystem. Denn alle anderen Trabanten sind sehr viel kleiner als der Planet, den sie umkreisen. Warum das so ist, hat ein Forscherteam nun mithilfe von Computersimulationen herausgefunden: Damit sich nach der Kollision mit einem anderen Himmelskörper ein größerer Mond in der Umlaufbahn bilden kann, dürfen Planeten einen bestimmten Durchmesser nicht überschreiten. Diese Erkenntnis helfe auch bei der Suche nach Exoplaneten mit großen Trabanten, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Communications“.

Nach heutigem Wissen entstand unser Mond in der Frühzeit des Sonnensystems, als die Urerde mit einem etwa marsgroßen Himmelskörper, Theia genannt, zusammenstieß. Die Trümmer dieser Kollision – überwiegend Überreste von Theia, aber auch Teile der Erdkruste – bildeten eine Materiescheibe um die Erde, in der sich schließlich der Mond formte. Seit Jahren untersuchen Astrophysiker mithilfe von Computersimulationen, wie ein solcher Zusammenprall abgelaufen sein könnte. Dabei variieren sie beispielsweise die Aufprallgeschwindigkeit und den Auftreffwinkel.

Miki Nakajima von der University of Rochester in den USA und ihre Kollegen haben sich bei ihren Simulationen jetzt einen anderen Aspekt vorgenommen, nämlich die Größe des getroffenen Planeten. Den Ergebnissen zufolge verdampft die bei der Kollision ins Weltall ausgeworfene Materie nahezu vollständig, wenn der Durchmesser des Planeten oberhalb des 1,3- bis 1,6-fachen Erddurchmessers liegt. Infolgedessen entstehe eine gasförmige Materiescheibe, in der sich kein größerer Mond bilden könne, so die Forscher. Denn kleinere Ansammlungen fester Materie würden durch die Reibung mit dem umgebenden Gas schnell abgebremst und auf den Planeten herabstürzen.

Die Größe der vier inneren Planeten in unserem Sonnensystem – Merkur, Venus, Erde und Mars – liegt unter der gefundenen Grenze. Doch nur die Erde besitzt einen großen Mond. „Unsere Simulationen zeigen lediglich, dass bei Planeten oberhalb des Limits keine großen Monde entstehen können“, betont Nakajima. „Das bedeutet aber nicht, dass sich bei allen Planeten unterhalb des Limits solche Monde bilden müssen.“ Ob ein großer Mond tatsächlich entsteht, hänge von vielen weiteren Faktoren ab: etwa vom Abstand zum Zentralstern und davon, ob entsprechende Himmelskörper für eine Kollision vorhanden sind.

„Unsere Ergebnisse helfen gleichwohl dabei, geeignete Kandidaten für die Suche nach Exomonden auszuwählen“, so Nakajima. Zudem kann die neue Studie erklären, warum Astronomen bislang nur wenige Hinweise auf Monde außerhalb unseres Sonnensystems fanden. Denn bisher suchte man vor allem bei größeren Exoplaneten nach solchen Begleitern. In einem nächsten Schritt wollen die Forscher herausfinden, wie häufig Systeme ähnlich der Erde mit ihrem großen Mond sind.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/kleinere-planeten-groessere-monde/