Einschlag verdampfte großen Teil der Urerde

Rainer Kayser

Zusammenstoß zwischen zwei Planeten

Der Zusammenstoß der Urerde mit dem marsgroßen Protoplaneten Theia vor 4,5 Milliarden Jahren war sehr viel heftiger als bislang vermutet: Ein großer Teil der Urerde, insbesondere der Mantel, verdampfte durch die Kollision. Darauf deuten Unterschiede in der Häufigkeit der Kaliumisotope 39 und 41 in irdischem und in Mondgestein, die ein Forscherduo in den USA jetzt erstmals nachgewiesen hat. Urerde und Theia seien demnach nicht unter einem flachen Winkel, sondern mit hoher Energie nahezu frontal aufeinandergeprallt, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

„Unsere Ergebnisse liefern erstmals harte Beweise dafür, dass der Einschlag einen großen Teil der Urerde verdampft hat“, sagt Kun Wang von der Harvard University im US-amerikanischen Cambridge. Bereits seit Mitte der 1970er-Jahre geht die Mehrheit der Forscher davon aus, dass der Mond aus den Trümmern eines Zusammenstoßes der Urerde mit einem marsgroßen Himmelskörper entstanden ist. Um die Größe des Mondes, seine Bahn und die Rotation von Erde und Mond zu erklären, favorisierten die Wissenschaftler dabei einen eher sanften Zusammenprall, bei dem der Erdtrabant hauptsächlich aus Trümmern des Protoplaneten Theia bestehen würde.

Grafische Darstellung zeigt Urerde nach der Kollision mit Theia, oben mit einer Trümmerscheibe, eingehüllt in eine Atmosphäre aus Gesteinsdampf, unten eingehüllt in eine dichte Wolke aus Gesteinsdampf.

Szenarien der Mondentstehung

Doch Analysen der von den Apollo-Missionen zur Erde gebrachten Gesteinsproben zeigten, dass irdisches und lunares Gestein identische Isotopenverhältnisse aufweist. Das stürzte die Einschlaghypothese in eine Krise, denn die Himmelskörper im Sonnensystem weisen große Unterschiede in ihren Isotopenverhältnissen auf – und daher sollten sich auch Urerde und Theia in ihrer Zusammensetzung unterschieden haben. Zwei unterschiedliche Szenarien könnten dieses Dilemma lösen. Im ersten Szenario bildet sich um die rotierende Scheibe aus Theia-Trümmern eine Atmosphäre aus verdampftem irdischem Gestein. So könnten sich irdisches Gestein und Theia-Trümmer bei der Mondentstehung vermischen.

Das zweite Szenario löst sich von der sanften Kollision und lässt Theia mit so hoher Energie aufprallen, dass der Mantel der Urerde komplett verdampft. Eine große Wolke aus heißem, dichten Gesteinsdampf bildet sich, in der sich die Materialien von Theia und der Urerde vor der Mondentstehung komplett vermischen. Die hochpräzisen Messungen von Wang und seinem Kollegen Stein Jacobsen an sieben lunaren Gesteinsproben von unterschiedlichen Missionen favorisieren nun eindeutig dieses zweite Szenario.

Denn die beiden Forscher finden einen Überschuss von 0,04 Prozent des schwereren Isotops Kalium-41 im Mondgestein, der sich nur durch eine Kondensation des Kaliums in einer Umgebung erklären lässt, in der ein Druck von über zehn bar geherrscht hat. Und einen solchen Druck gäbe es in der dichten Gesteinsdampfwolke nach einem energiereichen Zusammenstoß, aber nicht in der dünnen Gesteinsatmosphäre nach einer sanften Kollision.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2016/einschlag-verdampfte-grossen-teil-der-urerde/