Neue Theorie für die Entstehung von Erde und Mond

Rainer Kayser

In der unteren Hälfte des Bildes sieht man die Erde als Halbkugel. Rechts oben ist die Silhouette des Mondes zu erkennen.

NASA/JPL/USGS

Die chemische Zusammensetzung eines Himmelskörpers liefert Astronomen wertvolle Hinweise auf dessen Entstehungsgeschichte. Ein Forscherteam untersuchte nun unterschiedliche Isotope des Elements Kalzium in Meteoriten, Asteroiden und Planeten im inneren Sonnensystem. Das überraschende Ergebnis: Das Verhältnis dieser Isotope hing nicht wie erwartet vom Entstehungsort, sondern von der Masse des Himmelskörpers ab. Im Gegensatz zu bislang favorisierten Szenarien seien Erde und Mond demnach eher aus den Trümmern der Kollision zweier etwa gleich großer Protoplaneten hervorgegangen, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

Als Isotope werden unterschiedliche Arten eines chemischen Elements bezeichnet, die in ihren Atomkernen die gleiche Anzahl von Protonen besitzen, aber eine unterschiedliche Anzahl von Neutronen enthalten. Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass die Isotopenzusammensetzung in erster Linie vom Entstehungsort, also vom Abstand von der jungen Sonne, abhängt. Martin Schiller von der Universität Kopenhagen und seine Kollegen präsentieren jetzt eine Analyse der Kalziumisotope 44 und 48 in verschiedenen Meteoriten, deren Herkunftskörper bekannt sind, sowie dem Asteroiden Vesta und den Planeten Mars und Erde. Das Verhältnis der beiden Isotope hängt demnach von der Masse des Himmelskörpers ab. Ein solcher Zusammenhang lässt sich nicht erklären, wenn die Planeten und Planetesimale in der Frühzeit des Sonnensystems unterschiedlich schnell angewachsen und so zu ihren unterschiedlichen Massen gekommen sind, wie bislang angenommen. Stattdessen schlägt das Team nun vor, dass Protoplaneten alle gleich schnell anwachsen, dieser Prozess aber durch dynamische Prozesse unterschiedlich lange andauert.

Von besonderem Interesse ist dabei das Erde-Mond-System. Das bevorzugte Modell für die Entstehung des Erdtrabanten ist derzeit der Zusammenstoß eines etwa marsgroßen Protoplaneten mit der Urerde. Dieses Modell hat jedoch Probleme, die Ähnlichkeit der Isotopenzusammensetzung von Erde und Mond zu erklären. Auch mit den von Schiller und seinen Kollegen ermittelten Werten für die Kalziumisotope ist dieses Szenario nicht im Einklang. Das Verhältnis der Kalziumisotope deute vielmehr auf die Kollision von zwei etwa gleich großen Protoplaneten mit jeweils etwa der halben Erdmasse hin, so die Forscher. Diese seien vermutlich erst am Ende der Akkretionsphase – in der sich Planetesimale und Planeten im jungen Sonnensystem formten – entstanden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2018/neue-theorie-fuer-die-entstehung-von-erde-und-mond/