„Spannende Zeiten für die Gravitationswellenforschung“

Dirk Eidemüller

Wellensignale breiten sich von zwei ungleich großen, schwarzen runden Objekten aus.

N. Fischer, H. Pfeiffer, A. Buonanno (Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik), Simulating eXtreme Spacetimes project

Im September 2015 gelang Astronomen der erste direkte Nachweis von Gravitationswellen – ein Meilenstein, der im Jahr 2017 mit dem Nobelpreis der Physik ausgezeichnet wurde. Seither gab es enorme technische Fortschritte, sodass die Forscher mithilfe der Detektoren mittlerweile Ereignisse im Wochentakt finden. Im Interview mit Welt der Physik erklärt Harald Lück vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover, wie sich die empfindlichen Detektoren immer weiter verbessern lassen.

Welt der Physik: Das erste Gravitationswellensignal wurde von den beiden Advanced-LIGO-Detektoren in den USA beobachtet. Sie arbeiten an einem anderen Detektor für Gravitationswellen – GEO600 in Hannover. Wie funktioniert diese Anlage?

Das Bild zeigt den Forscher Harald Lück am Meer.

Harald Lück

Harald Lück: Wie die beiden LIGO-Detektoren nutzen auch wir ein zweiarmiges Interferometer als Aufbau. Dabei wird ein Laserstrahl in zwei Strahlen aufgeteilt und durchläuft dann die beiden Arme des Detektors. Wenn nun eine Gravitationswelle die Apparatur durchquert, verändert sich die Länge des einen Armes minimal anders als die des anderen. Diesen winzigen Unterschied kann man mithilfe sehr ausgefeilter Lasertechnik messen. Die Arme unseres Interferometers sind allerdings nur 600 Meter lang, die der beiden LIGO-Detektoren dagegen rund vier Kilometer. Dank der längeren Arme ist auch die Empfindlichkeit von LIGO entsprechend höher. Also streng genommen ist GEO600 nicht wirklich gut als Gravitationswellendetektor geeignet, denn es ist zu klein.

Wofür lässt sich GEO600 also stattdessen nutzen?

Man könnte es als Technologielabor für Gravitationswellendetektoren bezeichnen. Der Nachteil von GEO600 ist, dass wir aufgrund der kleinen Dimension des Detektors mit der heutigen Technik noch keine Gravitationswellen messen können. Der Vorteil ist aber, dass wir mit entsprechend geringerem Aufwand neue Technologien entwickeln und testen können. Wir haben bei GEO600 einige neue Ideen umgesetzt, die in der Tat etwas später bei den großen Observatorien zum Einsatz kamen oder in nächsten Ausbaustufen kommen werden.

Das Bild zeigt Gebäude, das aus mehreren Containern besteht und von Feldern umgeben ist. Es gehen zwei Kanäle im rechten Winkel von den zentralen Gebäuden ab.

Detektor GEO600

Welcher Art sind diese neuen Technologien?

Gravitationswellen üben nur einen unglaublich kleinen Effekt aus, der normalerweise von den verschiedensten Störquellen völlig überlagert wird. Dazu gehören thermisches Rauschen, Schwankungen der Laserstrahlen, Erschütterungen im Erdreich und sogar Einflüsse der Schwerkraft. Beispielsweise bewegt sich die Erdoberfläche um einen Mikrometer, wenn irgendwo ein Güterzug unterwegs ist. Um in all diesem Rauschen ein Signal zu detektieren, benötigt man einen sehr starken und hochstabilen Laserstrahl und möglichst störungsfrei gelagerte Spiegel.

Wie hat sich diese Technik in den letzten Jahren verändert?

Bei den ersten Detektoren waren die Spiegel noch an Stahldrähten aufgehängt. Mittlerweile nutzen wir eine Mehrfach-Aufhängung an dünnen Quarzglasdrähten. Die Spiegel selbst sind zwar exzellent poliert und beschichtet und beinahe perfekt. Aber selbst die besten Spiegel haben eine minimale Rauigkeit oder sind ganz leicht verkrümmt. Das können wir teilweise mithilfe spezieller Heizstrahler korrigieren. Das alles sind kleine Kniffe, die aber letztlich einen großen Effekt zeigen. Denn wenn wir die Empfindlichkeit unseres Detektors um den Faktor zwei steigern, können wir auch zweimal so weit ins Universum hineinlauschen. Das beobachtbare Volumen und damit auch die Rate an Ereignissen erhöht sich dabei um den Faktor acht.

Wie sieht die Zukunft der Gravitationswellenforschung aus?

Die Illustration zeigt ein dreieckiges, unterirdisches Labor auf das Wellen aus dem Weltall zulaufen. Die Wellen gehen von zwei Kreisen aus, die schwarze Löcher illustrieren.

Einstein-Teleskop

Die heutigen großen Observatorien sind LIGO in den USA, Virgo in Italien und KAGRA in Japan. Man bezeichnet sie auch als Observatorien der zweiten Generation, weil sie bereits viele der neuesten Technologien nutzen. Seit dem Upgrade nennt man diese Detektoren deshalb Advanced LIGO und Advanced Virgo. Einen großen Sprung nach vorne wird es mit der dritten Generation von Observatorien geben, die nochmals ein ganzes Stück größer werden sollen. In Europa arbeiten wir mit vielen Partnern bereits intensiv am sogenannten Einstein-Teleskop. Dieses wird aus drei Armen in Form eines gleichschenkligen Dreiecks bestehen, wobei jeder Arm zehn Kilometer lang sein soll. Um oberirdische Störungen weitestgehend auszuschließen, soll es sich 200 bis 250 Meter unter der Erde befinden.

Gibt es noch weitere ähnliche Projekte?

Auch die USA planen mit dem Cosmic Explorer ein neues Groß-Observatorium und Australien mit dem NEMO Detector ebenfalls. Bis heute haben wir in den Gravitationswellen-Signalen nur Verschmelzungen von Schwarzen Löchern oder Neutronensternen gesehen. Mit der nächsten Generation werden noch viel mehr Details solcher Ereignisse sichtbar werden. Darüber hinaus würden wir gerne auch Supernovae und Pulsare untersuchen und vielleicht sogar Signale aus der Zeit kurz nach dem Urknall nachweisen. Die Gravitationswellenforschung sieht spannenden Zeiten entgegen.

Aus den Laboren: GEO600

Wenn Sie Videos von YouTube anschauen, werden Daten an YouTube in die USA übermittelt.

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/gravitationswellen/spannende-zeiten-fuer-die-gravitationswellenforschung/