Kleinste Anziehungskraft gemessen

Jan Oliver Löfken

Fotomontage: Winzige Goldkugel liegt auf einem 1-Cent-Stück und drückt eine Delle hinein

Tobias Westphal/Universität Wien

Alle Massen ziehen sich aufgrund der Gravitationskraft – eine der vier fundamentalen Kräfte der Natur – gegenseitig an. Je kleiner die Massen sind, desto schwieriger lassen sich die zwischen ihnen wirkenden Kräfte messen. Doch nun stellten Physiker mit zwei leichtgewichtigen Goldkügelchen einen neuen Rekord auf: Mit einer speziellen Gravitationswaage konnten sie die extrem schwache Schwerkraft zwischen den beiden Kugeln messen. Wie die Forscher in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, ließen sich in Zukunft mit solchen Experimenten womöglich sogar Theorien zur Quantengravitation überprüfen.

Die Gravitationswaage von Markus Aspelmeyer vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation in Wien und seinen Kollegen gleicht prinzipiell dem berühmten Experiment von Henry Cavendish aus dem Jahr 1798. Der Aufbau besteht aus einer senkrecht gespannten Faser aus Siliziumdioxid. An diese hängten die Forscher einen Balken aus Titan – jeweils mit einem 90 Milligramm schweren Goldkügelchen am Ende. Brachte man nun ein weiteres Goldkügelchen in die Nähe eines Balkenendes, zogen sich die beiden Massen an. Durch diese sehr schwache Gravitationskraft verdrehte sich der gesamte Balken.

Eine Metallstange hängt an einem Faden, an einer Seite befinden sich mehrere goldene Kügelchen, in der Mitte hängt eine Goldfolie

Gravitationswaage

Als das Team den Abstand der beiden Goldkügelchen periodisch zwischen zwei bis drei Millimeter variierte, versetzte das den Balken in eine Schwingung. Diese Bewegung ließ sich mithilfe eines Laserstrahls extrem genau messen. Um Störeffekte zu vermeiden, führten Aspelmeyer und seine Kollegen das Experiment im Vakuum durch und schirmten mit einem faradayschen Käfig elektromagnetische Kräfte ab. Mit dieser Gravitationswaage gelang es den Forschern die Schwerkraft zwischen den Kugeln zu bestimmen – sie betrug nur einen Bruchteil eines milliardstel Millinewtons. Zum Vergleich: Diese Kraft entspricht etwa einem Drittel der Kraft, mit der die Erde ein rotes Blutkörperchen anzieht.

Aspelmeyer und seine Kollegen stellten mit ihrem Experiment aber nicht nur einen neuen Rekord auf. Prinzipiell könnten Forscher mit solchen Gravitationswaagen auch die Kräfte zwischen noch kleineren Massen bestimmen. Damit ließe sich möglicherweise sogar die Schwerkraft auf Quantenebene genauer untersuchen. Das wäre von grundlegender Bedeutung für die Physik. Denn sowohl die theoretischen Modelle von Isaac Newton als auch von Albert Einstein stoßen an ihre Grenzen. Auf der Suche nach einer einheitlichen Theorie der sogenannten Quantengravitation könnten Physiker zukünftig neue Ansätze mit solchen Experimenten überprüfen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2021/kleinste-anziehungskraft-gemessen/