Korallen als Vorbild für schaltbare Materialien

Feingliedrige Strukturen im Skelett der Roten Gorgonie dienen als Vorlage für neue Materialien – etwa für Robotergreifer oder Orthesen der Zukunft.

Jan Oliver Löfken

Rote und stark verästelte Koralle auf dem Meeresgrund

Maria Teresa Tovar Romero/iStock

Korallen sind einzigartige und vielseitige Lebewesen. Manche können sich dank ihres filigranen Skeletts binnen Sekunden versteifen und schützen sich so vor Fressfeinden oder Wellen. Ein Forschungsteam hat diese Eigenschaften nun genauer untersucht. In der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten die Forschenden, wie die Korallen als Vorbild für neuartige Materialien dienen können, die auf Knopfdruck fest werden.

Für ihre Studie sammelte die Arbeitsgruppe um Chenhao Hu und Ling Li von der University of Pennsylvania in Philadelphia an der östlichen Pazifikküste Proben der Roten Gorgonie, Leptogorgia chilensis. Diese Korallen leben in bis zu 60 Meter tiefem Wasser und werden bis zu 30 Zentimeter groß. Ihre feinen Äste bewegen sich sanft im Wellenschlag, können sich aber auch schlagartig versteifen.

Verzahnungen lösen sich, wenn der Druck nachlässt

Verästelte Strukturen einer Koralle, an deren Enden weitere Verzweigungen ausgeprägt sind

Korallenskelett einer Roten Gorgonie

Um herauszufinden, wie das funktioniert, analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit hochauflösenden Röntgen- und Elektronenmikroskopen die Struktur der Korallen. Dabei zeigten sich mikrometerkleine schaftförmige Skelettteile, sogenannte Skleriten. Diese festen, mineralischen Kalkkörperchen sind in flüssigem Gel eingelagert und an ihren Enden zu mehreren Armen verzweigt. An diesen Armen wiederum befinden sich viele nadelförmige Enden. Wirken nun starke Kräfte von außen, verzahnen sie sich und versteifen so in Sekundenschnelle das gesamte Skelett. Ohne äußere Kräfte können sich die Verzahnungen lösen und die Korallenarme werden wieder flexibel.

In umfangreichen Datensätzen bestimmten die Forschenden je nach Grad der Verzahnungen, wie stark sich die Korallen versteiften. Auf Basis dieses natürlichen Vorbilds sollen so neue Materialien entwickelt werden, die auf Zug oder Druck reagieren, indem sie sich versteifen beziehungsweise wieder flexibel werden. Diese könnten sich künftig mit 3D-Druckern fertigen und in effizienten Stoßdämpfern, Greifarmen für Roboter oder auch medizinischen Orthesen einsetzen lassen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2025/bionik-korallen-als-vorbild-fuer-schaltbare-materialien/