„Großes Interesse unter Ärzten“

Dirk Eidemüller

Zwei neuartige Bildgebungsverfahren – Dunkelfeldradiografie und Dunkelfeldtomografie genannt – erzielen einen bislang unerreichten Bildkontrast mit Röntgenstrahlen. Das eröffnet gänzlich neue diagnostische Möglichkeiten. So lässt sich auf den zwei- beziehungsweise dreidimensionalen Aufnahmen beispielsweise der Zustand von Lungenbläschen erkennen. Wie die beiden Verfahren funktionieren, erklärt Franz Pfeiffer von der Technischen Universität München im Interview mit Welt der Physik.

Welt der Physik: Was ist das Besondere an der neuen Röntgenmethode?

Franz Pfeiffer: Die dabei eingesetzte Dunkelfeldtechnik stammt ursprünglich aus der optischen Mikroskopie, wo sie schon seit Jahrzehnten etabliert ist. Im Gegensatz zur normalen Mikroskopie besteht die Idee bei Dunkelfeldaufnahmen darin, nicht das Licht aufzunehmen, das durch ein Objekt hindurchgegangen und dabei abgeschwächt worden ist. Stattdessen nimmt man nur das Licht auf, das gestreut worden ist – daher der Name „Dunkelfeld“. Diese Technik hat bestimmte Vor- und Nachteile. Aber insbesondere kann sie Dinge sichtbar machen, die auf gewöhnlichen Aufnahmen nicht zu sehen sind.

Der Physiker Franz Pfeiffer schaut in eine Maschinenröhre

Franz Pfeiffer am Dunkelfeldtomografen

Was lässt sich auf Dunkelfeldaufnahmen denn erkennen, was sonst verborgen bliebe?

Auf gewöhnlichen Röntgenbildern sieht man vor allem den Kontrast zwischen dichtem Gewebe wie Knochen oder Knorpeln und dem weniger dichten Weichgewebe. Aber sehr feine Strukturen wie etwa Lungenbläschen lassen sich damit nicht auflösen. Hier kann die Dunkelfeldtechnik ihre Vorteile ausspielen. So werden Röntgenstrahlen an den Grenzflächen zwischen Luft und Gewebe in einem kleinen Winkel gestreut. Wenn es nun gelingt, dieses Streulicht von den restlichen Röntgenstrahlen zu trennen, kann man damit den Zustand der Lungenbläschen diagnostisch verwertbar bestimmen. Das ist uns letztes Jahr schon am Patienten in zweidimensionalen Aufnahmen gelungen. Nun haben wir den ersten Dunkelfeldcomputertomografen entwickelt, der dreidimensionale Aufnahmen ermöglicht.

Die Dunkelfeldtechnik wird bereits seit Jahrzehnten in der Mikroskopie eingesetzt, sagten Sie. Warum hat es so lange gedauert, sie auf die Röntgentechnik zu übertragen?

Eine große Rolle spielt vor allem der wesentlich größere technologische Aufwand. In der optischen Mikroskopie gibt es schon seit Jahrzehnten entsprechende Filter und Optiken, um Dunkelfeldaufnahmen zu machen. Das lässt sich leider nicht direkt in die Welt der Röntgentechnik übertragen, da Röntgenstrahlen eine sehr viel kürzere Wellenlänge haben und in Gewebe nur unter sehr kleinem Winkel gestreut werden.

Wie haben Sie dieses Problem gelöst?

Wir arbeiten mit sogenannten Röntgengittern. Das sind einige Zentimeter große, dünne Platten aus einem für Röntgenstrahlen durchlässigen Material wie Silizium. Hierin werden in sehr feinem Abstand – nur wenige Mikrometer – feine, parallele Linien hineingeätzt. Diese werden mit Material wie Gold, Blei oder Wolfram gefüllt, die Röntgenstrahlen absorbieren. Die Gitter in entsprechender Größe und Qualität herzustellen, ist übrigens gar nicht so einfach. Unsere Kolleginnen und Kollegen vom Karlsruher Institut für Technologie haben sie uns geliefert. Wenn man nun mehrere solcher Gitter hinter der Röntgenquelle sowie vor und hinter dem zu durchleuchtenden Objekt anbringt, können wir die in kleinem Winkel gestreuten Röntgenstrahlen von den übrigen unterscheiden und so Dunkelfeldaufnahmen erstellen. Um diese Aufnahmen schließlich zu einem dreidimensionalen Bild zusammenzusetzen, benötigt man natürlich noch einiges an Computerleistung. Aber diese Techniken sind in der herkömmlichen Computertomografie bereits etabliert.

Vergrößerte Aufnahme eines Halbkreises einer Maschinenröhre

Dunkelfeldtomograf

Kam der neuartige Computertomograf schon zum Einsatz?

Ja, wir haben das Verfahren bereits an Mäusen sowie an sogenannten Phantomen getestet. Dies sind von den Proportionen her menschenähnliche Modelle des Oberkörpers. Die Lungenbläschen haben wir durch einen neoprenartigen Schaum simuliert, wobei die Porengröße entsprechend angepasst war. Die Ergebnisse sowohl am Tiermodell als auch an den Phantomen waren vielversprechend, sodass wir nun dabei sind, den Genehmigungsprozess für erste Versuche am Menschen zu durchlaufen.

Wie sieht es mit der Strahlenbelastung im Vergleich zu herkömmlichen Röntgenaufnahmen aus?

Einfache zweidimensionale Aufnahmen, sogenannte Radiografien, haben heutzutage eine verschwindend geringe Strahlenbelastung. Mit der Dunkelfeldmethode liegt sie etwas höher, dafür werden aber auch viel mehr Strukturen sichtbar. Bei dreidimensionalen Computertomografien verhält sich das ähnlich. Die Strahlenbelastungen sind dort allerdings wesentlich höher, weil viele Röntgenaufnahmen aus verschiedenen Winkeln kombiniert werden. Wie immer in der Medizin wird man hier Nutzen und Risiken im Einzelfall abwägen müssen. Aber angesichts des potenziell lebensbedrohlichen Charakters vieler Lungenkrankheiten sollte eine leicht höhere Strahlenbelastung kein Hindernis darstellen.

Wann rechnen Sie mit ersten klinischen Anwendungen?

Die zweidimensionalen Dunkelfeldradiografien sind bereits auf großes Interesse unter Ärzten und Medizinphysikern gestoßen. Hier gibt es bereits laufende Studien zu verschiedenen Krankheiten wie der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, Covid-19, Lungenkrebs, Pneumothorax und anderen Krankheiten. Auch die Dunkelfeldtomografie wird sicherlich ihren Weg in die klinische Anwendung finden. Allerdings ist der apparative Aufwand deutlich höher, sodass die Industrie hier noch einige Jahre an geeigneten Produktionsverfahren tüfteln müssen wird.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/bildgebungsverfahren-grosses-interesse-unter-aerzten/