Umstrittener Ursprung des Yellowstone-Supervulkans

Jan Oliver Löfken

Grand Prismatic Spring im westlichen Yellowstone-Nationalpark im US-Bundesstaat Wyoming

Thinkstock/htrnr

Unter dem Gebiet des Yellowstone-Nationalparks im Westen der USA schlummert ein Supervulkan. Vor 640 000 Jahren kam es zur bisher jüngsten Eruption, bei der sich ein 80 Kilometer langer und 55 Kilometer breiter Vulkankessel bildete. Als Ursprung des Vulkans vermuten Geophysiker eine gigantische Magmakammer im Erdmantel, aus der heißes Gestein in Form einer schmalen Säule zur Oberfläche aufsteigt. Doch nun widerspricht eine Wissenschaftlerin dieser sogenannten Hot-Spot-Theorie. In der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ liefert sie Belege, die auf genauen Analysen des Untergrunds unter dem Yellowstone-Gebiet gründen.

„Unter Hawaii konnten Seismologen einen Hot Spot bis in den Erdmantel nachweisen“, sagt Ying Zhou von der Virginia Polytechnic Institute and State University in Blacksburg in den USA. „Doch unter dem Yellowstone-Nationalpark konnte man keine ähnliche vulkanische Struktur finden.“ Aus diesem Grund ist die Hot-Spot-Theorie für den Yellowstone-Supervulkan in der Fachwelt umstritten. Nun analysierte Zhou seismische Daten, die nach starken Erdbeben in der Region zwischen 2011 und 2015 aufgezeichnet wurden. Dabei griff sie auf die Messungen eines engmaschigen Netzwerks von 550 Erdbebenstationen zurück.

Um ein möglichst hochaufgelöstes Bild des Untergrunds unter dem Yellowstone-Nationalpark zu gewinnen, wertete Zhou die Daten mit einer neuen Analysemethode aus. Dabei betrachtete sie nicht nur die Laufzeiten der Erdbebenwellen durch das Gestein, sondern auch die Variationen der Frequenzen dieser Wellen. Ihr Ergebnis: Bis tief in den Erdmantel hinein verteilen sich ungewöhnliche Gesteinszonen, die Zhou als Bruchstücke einer uralten ozeanischen Platte interpretiert. Vor mehr als 150 Millionen Jahren begann die gigantische Farallon-Platte vom Westen aus unter den amerikanischen Kontinent abzutauchen. Diese Subduktion verlief über Jahrmillionen. Vor 16 Millionen Jahren zerfiel die Platte in kleinere Bruchstücke, die bis in Tiefen unterhalb von 660 Kilometern vordrangen.

Landkarte der Westküste der USA, auf der durch nebeneinanderliegende Dreiecke die verschiedenen Eruptionsorte des Yellowstone-Supervulkans markiert sind.

Benachbarte Calderen

Die Positionen der aufgespürten Plattenfragmente korrelieren stark mit den Orten, an denen der Yellowstone-Supervulkan in der Vergangenheit ausgebrochen war. Wie die Perlen auf einer Schnur reihen sich die bei den Ausbrüchen entstandenen Vulkankessel – die sogenannten Calderen – von Westen bogenförmig nach Nordosten auf. Die älteste dieser Eruptionen ereignete sich vor 16,5 Millionen, die jüngste vor 640 000 Jahren. Die schmelzenden und zugleich wandernden Bruchstücke der Farallon-Platte lieferten laut Zhou das Material für diese Ausbrüche.

Die Position der Calderen und den zeitlichen Ablauf der Eruptionen wertet die Geophysikerin als weiteres Indiz gegen die Hot-Spot-These. So bewegt sich der amerikanische Kontinent seit 16 Millionen Jahren mit einer Geschwindigkeit von bis zu 2,5 Zentimetern pro Jahr nach Westen. Das sei laut Zhou zu langsam, um die Eruptionsorte schlüssig zu erklären. Kombiniert man die Bewegung allerdings mit der Ostdrift der Bruchstücke der Farallon-Platte, stimmen die Positionen der Vulkankessel besser mit dem zeitlichen Ablauf überein.

Mit ihrer Studie wird Zhou der Diskussion um den geologischen Ursprung des Yellowstone-Supervulkans neue Impulse geben – und sicher auch auf Widerstand in der Fachwelt stoßen. Denn erst vor wenigen Monaten berichteten Forscher von der University of Texas in Austin, einen bis an die Grenze zum Erdkern reichenden Schlauch aus teilweise geschmolzenem Gestein unter dem Yellowstone-Gebiet entdeckt zu haben. Das stützt wiederum die Hot-Spot-Theorie. Um das Risiko für einen erneuten Ausbruch des Supervulkans besser abschätzen zu können, wäre ein stimmiges Ergebnis immens wichtig.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2018/umstrittener-ursprung-des-yellowstone-supervulkans/