„Die Entdeckung wurde erst durch Satellitendaten ermöglicht“

Julia Thomas

Das Bild zeigt eine trockene und steinige Landschaft und ein paar vereinzelte Pflanzen.

Paul Vowles/iStock

Mithilfe von komplexen Modellen lässt sich der Klimawandel untersuchen und seine Folgen vorhersagen. Um die Modelle immer weiter zu verbessern, beobachten Forschende unter anderem, wie sich die Konzentration von Kohlenstoffdioxid, kurz CO2, in der Erdatmosphäre verändert. Ein Forschungsteam hat nun herausgefunden, dass jährlich die CO2-Konzentration in der Atmosphäre über Australien am Ende der Trockenzeit ansteigt. Im Interview mit Welt der Physik erklärt André Butz von der Universität Heidelberg, welcher Prozess aus der Tier- und Pflanzenwelt dafür verantwortlich ist und wie die Ergebnisse dabei helfen können, das Klimasystem noch besser zu verstehen.

Welt der Physik: Warum haben Sie die CO2-Konzentration über Australien untersucht?

Porträt des Wissenschaftlers André Butz

André Butz

André Butz: Australien hat eine sehr große Fläche an semiariden Gebieten. Das sind sehr trockene Gebiete, in denen aber zu bestimmten Zeiten im Jahr Regen fällt – mal mehr und mal weniger. In manchen Jahren bleiben diese Regenfälle ganz aus und in anderen Jahren sind sie sehr intensiv. Die Pflanzenwelt passt sich diesen Verhältnissen an und grünt dann auf, wenn genug Regen gefallen ist. Außerdem liegt Australien relativ isoliert zwischen zwei großen Ozeanen. Deshalb wird die CO2-Konzentration über Australien kaum von anderen Kontinenten beeinflusst. In Australien können wir also sehr gut und relativ ungestört analysieren, wie solche semiariden Gebiete die CO2-Konzentration in der Atmosphäre beeinflussen.

Was interessiert Sie konkret an der CO2-Konzentration?

Allgemein interessiert mich, durch welche Prozesse CO2 in die Atmosphäre abgegeben wird und welche Prozesse der Atmosphäre wieder CO2 entziehen. In unserer Analyse haben wir uns auf die Biosphäre fokussiert, also auf den Bereich der Pflanzen und Tiere. Zum Beispiel geben im Boden lebende Mikroben CO2 in die Atmosphäre ab. Pflanzen dagegen entziehen der Atmosphäre wieder CO2, indem sie Photosynthese betreiben. Wie sich dadurch die CO2-Konzentration in der Atmosphäre über Australien verändert, haben wir nun über mehrere Jahre hinweg gemessen und analysiert.

Wie haben Sie die CO2-Konzentration gemessen?

Es gibt weltweit verschiedene Netzwerke aus Messstationen, die vom Boden aus die CO2-Konzentration in der Atmosphäre messen. Die meisten dieser Netzwerke befinden sich aber in den dicht bevölkerten Regionen der Erde, weil sie regelmäßig gewartet werden müssen. Im Inneren von Australien, wo nicht viele Menschen leben, gibt es dementsprechend wenig Messstationen. Deswegen haben wir Daten von Satelliten untersucht und dabei vor allem Daten verwendet, die der Greenhouse Gases Observing Satellite, kurz GOSAT, seit 2009 aufgezeichnet hat. Weitere Daten lieferte das Orbiting Carbon Observatory-2, kurz OCO-2.

Mehrere skizzierte Kohlenstoffdioxidmoleküle in der Atmosphäre. Ein Sonnenstrahl wird am Erdboden reflektiert und läuft durch den Bereich, wo die Moleküle sind, wieder nach oben. Dort trifft der Strahl auf einen Satelliten.

Ein Satellit misst reflektiertes Sonnenlicht

Wie misst dieser Satellit die CO2-Konzentration in der Atmosphäre?

Der Satellit misst das Sonnenlicht, das am Erdboden reflektiert wird und dann von unten beim Satelliten ankommt. An Bord des Satelliten befindet sich ein Spektrometer. Es zerlegt das reflektierte Sonnenlicht in verschiedene Wellenlängen – ähnlich wie ein Prisma, das weißes Licht in seine Spektralfarben zerlegt. Das Spektrometer analysiert allerdings nicht das sichtbare Licht, sondern Infrarotstrahlung. Um mithilfe der reflektierten Strahlung die CO2-Konzentration zu bestimmen, nutzen wir den sogenannten „spektroskopischen Fingerabdruck“. Denn die unterschiedlichen Moleküle, die sich in der Atmosphäre befinden, absorbieren verschiedene Wellenlängen der Strahlung. Anhand des gemessenen Spektrums und des spezifischen Fingerabdrucks von CO2 bestimmen wir also, wie viel davon in der Atmosphäre unter dem Satelliten vorhanden ist.

Welche Auffälligkeit zeigen die Daten?

Mithilfe der Satellitendaten haben wir einen jährlich wiederkehrenden Ausschlag in der CO2-Konzentration über Australien entdeckt. Die CO2-Konzentration steigt plötzlich an, wenn die Regenzeit beginnt, und nimmt nach zwei bis drei Monaten wieder ab. Diese CO2-Pulse kehren jährlich wieder und sind mal stärker, mal schwächer – je nachdem, ob die Trockenzeit vorher stark ausgeprägt war oder nicht.

Woher kommen die CO2-Pulse?

Als erstes haben wir überprüft, woher das CO2 in der Atmosphäre stammt. Denn CO2-Moleküle bleiben selten an dem Ort, an dem sie emittiert werden. Winde können die Moleküle über weite Strecken hinweg transportieren. Um also herauszufinden, wie die CO2-Verteilung über Australien zustande kommt, haben wir die Daten mit einem sogenannten inversen atmosphärischen Transportmodell analysiert. Dieses Modell nutzt die mit den Satelliten gemessene CO2-Konzentration sowie Wetterdaten. Daraus lässt sich dann zurückzurechnen, wie das CO2 dorthin transportiert wurde, wo wir es gemessen haben. So haben wir sichergestellt, dass das CO2 aus den Pulsen tatsächlich in Australien emittiert wurde.

Ein Satellit mit zwei großen Solarsegeln fliegt um die Erde. Die Erde ist aus Sicht des Weltalls sichtbar.

Der japanische Satellit GOSAT auf seinem Orbit um die Erde

Wissen Sie, was die CO2-Pulse verursacht hat?

Verantwortlich für die CO2-Pulse ist der sogenannte „Birch Effect“, der uns vorher nur auf lokaler Ebene, also auf der Skala von Wäldern oder Steppen bekannt war: Im Boden leben Mikroben, die Pflanzenreste und anderes organisches Material zersetzen. Während der Trockenzeit sind diese Mikroben allerdings nicht aktiv, weil ihnen das Wasser fehlt. Wenn dann nach der Trockenzeit der erste Regen fällt, beginnen die Mikroben sofort, das organische Material, das sich über den Sommer hinweg am Boden angesammelt hat, zu zersetzen, und geben dabei CO2 in die Atmosphäre ab. Die Pflanzen brauchen länger um zu wachsen und nehmen erst ein bis zwei Monate später wieder verstärkt CO2 durch Photosynthese auf. Die CO2-Abgabe durch die Mikroben setzt also früher ein als die Aufnahme durch die Pflanzen und es entsteht ein Puls in der CO2-Konzentration. Wir haben jetzt erstmals gezeigt, dass der Birch Effect die CO2-Pulse nach der Trockenzeit in der Atmosphäre über ganz Australien erklären kann. Dafür haben wir die gemessenen Daten mit Simulationen verglichen, die auch diese Prozesse in der Tier- und Pflanzenwelt miteinbeziehen. Der Birch Effect findet also nicht nur lokal statt, sondern seine Folgen lassen sich sogar auf kontinentaler Skala beobachten.

Ist der Birch Effect auch in anderen Regionen der Erde relevant?

Der Birch Effect tritt auf lokaler Ebene in vielen semiariden Regionen auf, wie etwa im Mittelmeerraum, in Südafrika, Subsahara-Afrika oder in Teilen von Südamerika. Allerdings wissen wir nicht, ob der Effekt auch in diesen Gebieten die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ebenso stark beeinflusst. Dort ist es komplizierter, den Birch Effect zu untersuchen, weil diese Regionen nicht so isoliert und die semiariden Teile auch nicht so großflächig sind, wie der innere Bereich von Australien.

Helfen Ihre Ergebnisse, um die Auswirkungen des Klimawandels in Zukunft besser vorherzusagen?

Ja, denn wir haben bislang unterschätzt, wie wichtig Trockengebiete für die CO2-Konzentration in der Atmosphäre sind und welche Mechanismen dort die Kohlenstoffbilanz regulieren. Unsere Studie hat jetzt aber gezeigt, wie sich semiaride Ökosysteme auf die CO2-Konzentration in der Atmosphäre über einem ganzen Kontinent auswirken können. Mit dem Klimawandel werden sich insbesondere auch die Niederschlags- und Verdunstungsraten und damit die Ausdehnung semiarider Gebiete verändern. Deshalb ist es wichtig, den beobachteten Prozess in Klimamodellen zu berücksichtigen. Wir möchten also besser verstehen, wie sich der Klimawandel und die semiariden Ökosysteme gegenseitig beeinflussen. Und wir hoffen, dass wir dadurch die Vorhersage des Klimawandels verbessern können.

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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/atmosphaere/klimaforschung/die-entdeckung-wurde-erst-durch-satellitendaten-ermoeglicht/