Komplexe Moleküle im Universum entdeckt

Rainer Kayser

Himmelsausschnit mit vielen Sternen und einer dunklen Region

Brett A. McGuire

Sie stellen bereits seit vielen Jahren ein Rätsel für Astronomen dar – überraschende Emissionen von Infrarotstrahlung aus Regionen, in denen Sterne entstehen. Eine von vielen Forschern favorisierte Erklärung ist, dass es sich dabei um die überlagerte Strahlung von vielen unterschiedlichen Arten spezieller Moleküle auf Kohlenstoffbasis handelt. Doch bislang scheiterte jeder Versuch, solche chemischen Verbindungen tatsächlich im Weltall nachzuweisen. Doch nun berichten Forscher im Fachblatt „Science“ über den Nachweis von gleich zwei Arten dieser Moleküle in der 450 Lichtjahre entfernten Taurus-Molekülwolke.

„Wir gehen davon aus, dass etwa 10 bis 25 Prozent des interstellaren Kohlenstoffs in polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen, kurz PAHs, gebunden sind“, erläutern Brett McGuire vom Massachusetts Institute of Technology in den USA und seine Kollegen. Als „aromatisch“ werden in der Chemie ringförmige Verbindungen auf Kohlenstoffbasis bezeichnet. Sie tragen ihren Namen, weil die zuerst entdeckten Stoffe dieser Art einen angenehmen – also aromatischen – Geruch aufweisen. „Aromatische Moleküle sind in der organischen Chemie allgegenwärtig und spielen eine wichtige Rolle in der chemischen Evolution des Universums,“ so die Forscher. So könnten PAHs auch eine Rolle bei der Entstehung von Leben spielen, wenn sie etwa durch Meteoriten auf die Oberfläche junger Planeten gelangen.

Umso wichtiger sind sowohl der Nachweis solcher Moleküle im Universum als auch eine Übersicht über die tatsächlich in Sternentstehungsregionen vorhandene PAHs. Dafür beobachteten McGuire und seine Kollegen nun die Taurus-Molekülwolke mit dem Green-Bank-Teleskop in den USA – mit einer Antennengröße von 110 mal 100 Metern das größte frei bewegliche Radioteleskop der Welt. Doch da die Strahlung der einzelnen Molekülarten sehr schwach ist, sind sie nur schwer aufzuspüren. Um die Empfindlichkeit zu erhöhen, überlagerten die Forscher viele Einzelmessungen. Und dieses Analyseverfahren zeigte Erfolg: McGuire und seinen Kollegen gelang es erstmals, Spuren von gleich zwei PAHs in den Radiospektren der Molekülwolke nachzuweisen.

Die beiden beobachteten Moleküle – 1- und 2-Cyannaphthalin – bestehen aus einem Doppelring auf Kohlenstoffbasis, an den jeweils an unterschiedlichen Stellen eine Nitrilgruppe aus einem Kohlenstoff- und einem Stickstoffmolekül gebunden sind. Mithilfe von Computersimulation versuchten die Forscher anschließend, den Ursprung der beiden Molekülarten in Sternentstehungsregionen nachzuvollziehen – allerdings ohne Erfolg. Die Häufigkeit der PAHs lässt sich weder mit einer Entstehung aus kleineren Molekülen noch über die Entstehung durch den Zerfall größerer Moleküle erklären. „Entweder es gibt noch andere als die uns bekannten Entstehungswege – oder bekannte Entstehungswege sind effektiver als bislang angenommen,“ so die Wissenschaftler.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2021/komplexe-molekuele-im-universum-entdeckt/