Giftiges Gas als Zeichen für Leben?

In der Atmosphäre der Venus stießen Astronomen auf Monophosphan. Zwar ist dessen Ursprung noch unklar, aber eine Möglichkeit wären lebende Organismen.

Rainer Kayser

Planet mit dichter Wolkenhülle

NASA/JPL-Caltech

Auf der Venus herrschen Temperaturen um 450 Grad Celsius und der Druck auf der Oberfläche ist nahezu hundertmal größer als auf der Erde – alles andere als lebendfreundlich. Doch in einer Höhe von fünfzig bis sechzig Kilometern kommen durchaus Bedingungen vor, unter denen sich Bakterien wohlfühlen könnten. Ein internationales Forscherteam hat in dieser Region der Venusatmosphäre nun Spuren von Monophosphan nachgewiesen. Trotz intensiver Suche fanden die Wissenschaftler keinen bekannten chemischen Prozess, der dieses Gas dort produzieren könnte. Entweder ein bislang unbekannter Vorgang erzeuge das Monophosphan oder es sei biologischen Ursprungs, so die Forscher im Fachblatt „Nature Astronomy“.

Als besonders geeignetes Verfahren zum Nachweis biologischer Aktivität gilt unter Astrobiologen das Aufspüren von Spurengasen, die chemisch nicht stabil sind. Denn in diesen Fällen bedarf es einer Quelle, die das Gas stetig nachliefert. Eine ideale Biosignatur wäre ein Gas, das nur lebende Organismen erzeugen, schreiben Jane Greaves von der Cardiff University in Großbritannien und ihre Kollegen. Doch häufig gibt es auch photochemische oder geochemische Prozesse, die für die Produktion infrage kommen. 

Als ein idealer Kandidat gilt Monophosphan. Dieses Molekül setzt sich aus einem Phosphoratom und drei Wasserstoffatomen zusammen. In der Erdatmosphäre kommt es in Spuren – ein Molekül pro einer Billion Luftmoleküle – vor und ist ausschließlich biologischen oder industriellen Ursprungs. Obwohl es in hoher Konzentration hochgiftig ist, gilt Monophosphan daher als Biomarker. Da Phosphor äußerst reaktiv ist, bleibt das Molekül zudem nicht lange erhalten: In den meisten Atmosphären – auch jener der Venus – wäre Monophosphan extrem instabil und müsste permanent nachgeliefert werden.

Um Referenzwerte zu erhalten und die Nachweismethode weiterzuentwickeln, suchten die Forscher um Greaves in der Venusatmosphäre nach dem Spurengas. Dabei lieferten Beobachtungen mit dem James Clerk Maxwell Telescope auf Hawaii und der Teleskopanlage ALMA in Chile eine Überraschung: Das Team stieß in den spektroskopischen Aufnahmen auf deutliche Anzeichen für Monophosphan. Den ausgewerteten Daten zufolge finden sich unter einer Milliarde Molekülen in der Atmosphäre zwanzig Moleküle des gesuchten Gases.

Greaves und ihre Kollegen prüften verschiedene Möglichkeiten, um ihre Ergebnisse zu erklären: War das Monophosphan auf der Venus durch photochemische Vorgänge in der Atmosphäre entstanden, durch Prozesse auf der Oberfläche, Ausgasungen aus dem Planeteninneren, elektrische Entladungen oder den Zustrom von Meteoriten aus dem All? Doch die Beobachtungen ließen sich mit keinem bekannten Vorgang in Einklang bringen – zumindest keinem, der bislang unter den Bedingungen auf der Venus für plausibel erachtet wird.

Greaves und ihre Kollegen ziehen daher vorsichtig auch andere Prozesse in Betracht. Es könnte sich um unbekannte photochemische oder geochemische Vorgänge handeln – oder um Leben. Für letztere Hypothese spricht ein weiteres Indiz: Die Beobachtungen zeigen das Spurengas lediglich in niedrigen und mittleren Breiten, aber nicht in den polaren Regionen der Venusatmosphäre. Das Monophosphan befindet sich damit in einer Region, in der kreisförmige Gasströmungen auftreten. Nach Auffassung vieler Astrobiologen sind die Bedingungen für Bakterien in solchen Zonen am günstigsten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2020/giftiges-gas-als-zeichen-fuer-leben/