Planetenentstehung beginnt früher als erwartet

Rainer Kayser

Ausgedehnte ovale Struktur mit zwei Ringen und zwei Lücken

MPE/D. Segura-Cox

Die Entstehung von Planeten beginnt offenbar deutlich früher als es die theoretischen Modelle vorhersagen. Darauf deuten nun Beobachtungen eines internationalen Forscherteams mit der Teleskopanlage ALMA in Chile hin. In der rotierenden Gasscheibe um den weniger als 500 000 Jahre alten Protostern IRS 63 stießen die Wissenschaftler auf mehrere ringförmige Strukturen. Diese seien ein deutliches Zeichen dafür, dass in der Scheibe zumindest schon das Wachstum von Staubkörnern und damit das erste Stadium der Planetenentstehung begonnen habe, so die Astronomen im Fachblatt „Nature“.

Sterne entstehen, wenn große Gaswolken aufgrund ihrer Schwerkraft kollabieren. Im Zentrum bildet sich zunächst ein langsam anwachsender Protostern, der von einer flachen rotierenden Scheibe aus Gas umgeben ist. In diesen rotierenden Gas- und Staubscheiben entstehen dann Planeten, indem winzige Staubkörnchen zusammenkleben und durch Kollisionen immer größere Materieklumpen formen. In den theoretischen Modellen ist diese Planetenentstehung ein langsamer Prozess, der mehrere Millionen Jahre dauert.

„In den Scheiben um Protosterne, die älter als eine Million Jahre sind, findet man häufig Ringe und Lücken“, erläutern Dominique Segura-Cox vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching und ihre Kollegen. „Diese Strukturen werden als Anzeichen der Planetenentstehung interpretiert. Denn die planetengroßen Körper erzeugen mit ihrer Schwerkraft die Ringe und die Lücken. Das bedeutet jedoch, dass die Planetenentstehung schon früher einsetzen muss.“

Diese frühe Phase der Planetenentstehung lässt sich allerdings nur schwierig beobachten, da jüngere Protosterne noch in die Überreste der Gaswolke eingehüllt sind. Mit der Teleskopanlage ALMA in Chile lassen sich Regionen, in denen Sterne und Planeten entstehen, trotzdem untersuchen. Denn die aus 66 Antennen bestehende Teleskopanlage kann mit hoher Auflösung tief in die dichten Gas- und Staubwolken hineinblicken. Die Beobachtungen von Segura-Cox und ihren Kollegen mit ALMA zeigen nun zwei Ringe und zwei Lücken in der Scheibe um den 500 000 Jahre alten Protostern IRS 63.

Es handelt sich damit um die bislang jüngste protostellare Scheibe, in der Astronomen solche Strukturen nachweisen konnten. Ob in der Scheibe um IRS 63 bereits planetenartige Körper existieren, lässt sich anhand der Beobachtungen allerdings nicht sagen. „Aber unabhängig davon, ob dort bereits Planeten existieren oder nicht“, so die Forscher, „setzt die Planetenentstehung offenbar schon in der ersten protostellaren Phase ein – früher als es die gegenwärtigen Theorien vorhersagen.“


Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2020/planetenentstehung-beginnt-frueher-als-erwartet/