Kollision entstehender Planeten

Rainer Kayser

Kollision zwischen zwei planetengroßen Objekten

NASA/JPL-Caltech

In der Frühzeit unseres Sonnensystems prallte die Urerde mit einem marsgroßen Planeten zusammen – und aus den Trümmern entstand der Mond. Eine ähnliche planetare Kollision ereignete sich offenbar auch bei einem 93 Lichtjahre entfernten Stern. Wie Beobachtungen mit der Radioteleskopanlage ALMA in Chile zeigen, ist der Stern nicht nur von ungewöhnlichem Staub, sondern auch von einem Ring aus Gas umgeben. Dieser Ring, so ein Wissenschaftlerteam im Fachblatt „Nature“, lasse sich nur durch die Kollision zweier planetarer Körper erklären.

Bereits bei früheren Untersuchungen wurden um den erst 23 Millionen Jahre alten Stern HD 172555 große Mengen an Staub gefunden. Jedoch war unklar, welches Ereignis diesen Staub verursacht hatte. Zwar – so viel ließ sich bereits sagen – muss der Staub bei Zusammenstößen von Himmelskörpern entstanden sein. Ob dies jedoch auf zahlreiche kleinere Zusammenstöße in einem Asteroidengürtel oder auf die Kollision zweier entstehender Planeten zurückzuführen ist, darauf hatten Astronomen bislang keine Antwort.

Nun aber fanden Tajana Schneiderman vom Massachusetts Institute of Technology in den USA und ihre Kollegen eine Antwort auf diese Frage: Bei Beobachtungen von HD 172555 mit den Radioteleskopen von ALMA stießen sie auf Strahlung, die auf das Gas Kohlenmonoxid hinweist. Ihre Analyse der Daten zeigt, dass dieses Gas nicht gleichmäßig um den Stern verteilt ist, sondern einen Ring um den Stern bildet – genau dort, wo frühere Beobachtungen auch den Staub nachgewiesen hatten. „Die einzige Möglichkeit, dieses Gas zu erklären, ist ein großer Zusammenstoß“, so Schneiderman. Denn wenn einer der beiden beteiligten planetengroßen Objekte eine Atmosphäre besitzt, geht diese bei der Kollision verloren – und das Gas breitet sich im Weltall aus.

Teleskopantennen vor Nachthimmel

Die Radioteleskopanlage ALMA

Dass dieses Kohlenmonoxidgas noch heute zu messen ist, erstaunt die Forscher. Denn bisherige theoretische Studien legten nahe, dass das Gas schnell wieder verschwinden würde. Diese Annahme muss nun offenbar revidiert werden. Denn die Kollision bei HD 172555 ist etwa 200 000 Jahre her – doch das Gas ist noch immer vorhanden und hat sich sogar in einem stabilen Ring angesammelt. Damit kann es auch die weitere Entwicklung des Planeten und seiner Umgebung beeinflussen. Dementsprechend muss es auch für zukünftige Modelle der Astronomen berücksichtigt werden.

Wichtiger noch als der Beweis, dass es bei HD 172555 eine große planetare Kollision gegeben hat, ist Schneiderman und ihren Kollegen aber ein anderer Aspekt ihrer Entdeckung: So liefere sie eine neue Methode, um nach solchen planetaren Zusammenstößen zu suchen – nämlich anhand des freigesetzten Gases. „Wenn wir viele junge Systeme auf diese Weise untersuchen“, so die Forscherin, „dann können wir einen Eindruck davon erhalten, wie wichtig die Rolle großer Zusammenstöße bei der Entwicklung von Planetensystemen ist.“

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2021/kollision-entstehender-planeten/