Kleiner Stern, großer Planet

Rainer Kayser

Teleskop in einer Sternwartenkuppel

P. Amado/M. Azzaro/IAA/CSIC

Die Entdeckung eines Planeten, der einen anderen Stern umkreist, sorgt heute kaum mehr für Aufregung. Denn immerhin kennen Astronomen inzwischen schon knapp 4000 solcher Exoplaneten. Doch der Nachweis eines jupiterähnlichen Planeten, der einen roten Zwergstern mit nur etwa einem Zehntel der Masse unserer Sonne umkreist, sorgt nun für Aufsehen. Denn die Existenz eines solchen Riesenplaneten in der Umlaufbahn eines Zwergsterns lasse sich nicht mit der Standardtheorie der Planetenentstehung erklären, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

Gemäß dem anerkannten Modell der Planetenentstehung bilden sich in Gas- und Staubscheiben, die um junge Sterne rotieren, zunächst Planetenkerne – indem sich der Staub zu Gestein verdichtet. Aufgrund ihrer Anziehungskraft sammeln diese Planetenkerne dann Gas aus der Umgebung ein. Diesen Vorgang bezeichnen Astronomen als Akkretion. Je nachdem, wie viel Gas in der Umgebung vorhanden ist, bilden sich entweder erdähnliche Planeten oder Gasriesen wie Jupiter. Doch nun entdeckten Juan Carlos Morales von der Universität Barcelona und seine Kollegen mit dem Spektrografen CARMENES am Calar-Alto-Observatorium in Spanien einen Planeten, dessen Existenz sich nicht mit dieser Theorie erklären lässt.

Der neu entdeckte Exoplanet GJ 5312 b besitzt mindestens die halbe Masse Jupiters, zieht seine Bahn aber um einen Roten Zwerg mit nur einem Zehntel der Sonnenmasse. Eigentlich sollten sich um solche kleinen Sterne keine jupitergroßen Planeten bilden. Denn die Anziehungskraft des Sterns reicht nicht aus, um die Gas- und Staubscheibe lange genug stabil zu halten, sodass die Planetenkerne zu Riesenplaneten werden können. Morales und seine Kollegen liefern nun eine alternative Erklärung: Ein Teil der Gas- und Staubwolke könnte aufgrund ihrer eigenen Schwerkraft kollabiert sein, wodurch GJ 5312 b entstand. Bislang galt dieser Prozess als zu wenig effektiv, um entscheidend zur Entstehung großer Planeten beizutragen. Doch die Astronomen zeigten, dass eine ausreichend große Wolke in ihrem äußeren Bereich kühl genug sein könnte, um dort zu einem Kollaps großer Teile zu führen.

Der Planet müsste dann aber deutlich weiter entfernt von seinem Stern entstanden sein, als er ihn heute umkreist. Die Forscher vermuten deswegen, dass nicht nur einer, sondern zwei oder drei Planeten bei dem Kollaps entstanden sind. Gegenseitige Bahnstörungen hätten GJ 5312 b dann auf seine heutige Umlaufbahn befördert. Und tatsächlich deuten die Beobachtungen von Morales und seinen Kollegen auf die Existenz mindestens eines weiteren großen Planeten hin, der den Zwergstern in größerem Abstand umkreist. Instabilitäten in großen Gas- und Staubscheiben könnten demnach eine bislang unterschätzte Rolle bei der Entstehung von Planetensystemen spielen.

Das Bild zeigt den Exoplaneten GJ 3512 im Vergleich zu unserem Sonnensystem und anderen nahegelegenen Planetensystemen von roten Zwergsternen.

Der Exoplanet GJ 3512 b im Vergleich

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2019/kleiner-stern-grosser-planet/