Beginn eines Sonnensturms

Rainer Kayser

Sonnenrand mit Massenauswurf

NASA

Unsere Sonne stößt immer wieder riesige Plasmawolken – bestehend aus energiereichen Elektronen, Protonen und Atomkernen – aus. Treffen diese geladenen Teilchen auf das Magnetfeld der Erde, kann es zu einem geomagnetischen Sturm kommen. Zu den Folgen zählen nicht nur eindrucksvolle Polarlichter, sondern auch eventuelle Schäden an Stromnetzen und Satelliten. Für die Vorhersage solcher Stürme wollen Wissenschaftler genau verstehen, wie die sogenannten koronalen Massenauswürfe auf der Sonne entstehen. Auf dem Weg zu diesem Ziel gelang jetzt ein wichtiger Schritt: Ein Forscherteam konnte den Beginn eines Sonnensturms erstmals detailliert beobachten. Über die Ergebnisse berichten die Wissenschaftler nun im Fachblatt „Science Advances“.

Tingyu Gou und ihre Kollegen untersuchten einen koronalen Massenauswurf, der sich am 13. Mai 2013 ereignete. Dazu analysierten sie unter anderem Aufnahmen des Solar Dynamics Observatory. Der NASA-Satellit liefert von seiner geostationären Umlaufbahn aus täglich etwa 1,5 Terabyte an Beobachtungsdaten über unser Zentralgestirn. Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass Sonneneruptionen in magnetisch aktiven Regionen auftreten. Hier steigen sogenannte magnetische Flussröhren aus dem Sonneninneren auf – schlauchförmige Strukturen, die eine höhere Magnetfeldliniendichte als ihre Umgebung aufweisen. In der turbulenten Atmosphäre können sich die Magnetfeldlinien verdrillen, bis sie schließlich aufbrechen und sich wieder neu verbinden. Die dabei freigesetzte Energie löst dann einen koronalen Massenauswurf aus: Beträchtliche Plasmamengen werden auf Geschwindigkeiten von bis zu 3000 Kilometern pro Stunde beschleunigt und ins Weltall geschleudert.

Unklar blieb bislang, wie genau sich die magnetische Flussröhre formt, die letztlich für den Ausbruch verantwortlich ist. Das zeigen jetzt erstmals die von Gou und ihrem Team ausgewerteten Daten und Bilder. In der Sonnenatmosphäre befinden sich demnach stets kleinere Flussröhren, die ab und an miteinander verschmelzen. Auf diese Weise entstehen größere Flussröhren, die mit immer höherer Geschwindigkeit aufsteigen und schließlich eine gewaltige Sonneneruption auslösen. „Unsere Beobachtungen zeigen den kompletten Entwicklungsprozess eines koronalen Massenauswurfs“, schreiben die Forscher. „Sie decken eine Vielzahl von Plasmaphänomenen ab und schließen die Lücke zwischen der Mikro- und der Makrodynamik der Sonne.“


 

Tingyu Gou/Rui Liu/University of Science and Technology of China

Koronaler Massenauswurf

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2019/beginn-eines-sonnensturms/