Einblicke in die Frühzeit des Sonnensystems

Rainer Kayser

Dunkler Asteroid vor Sternenhintergrund

Im inneren Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter haben Astronomen eine bislang unbekannte Gruppe dunkler Asteroiden identifiziert. Da die Mitglieder vermutlich bereits vor vier Milliarden Jahren aus dem Zerfall eines größeren Himmelskörpers hervorgingen, handelt es sich bei dem neuen Fund um eine der ältesten bekannten Asteroidengruppen. Die Entdeckung zeige, dass sich Planetesimale – die Bausteine der Planeten – in der Frühzeit des Sonnensystems nicht sukzessive aus kleineren Gesteinsbrocken gebildet haben, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“, sondern direkt als größere Himmelskörper entstanden.

„Ein Viertel der bekannten Asteroiden lässt sich mehr als hundert unterschiedlichen Familien – und damit Ursprungskörpern – zuordnen“, erläutern Marco Delbo von der Universität Côte d’Azur in Nizza und seine Kollegen. „Die Zuordnung weiterer Asteroiden zu bislang unbekannten Familien kann uns einen Einblick in die kritische Phase der Planetenentstehung liefern, insbesondere in die Größenverteilung der Planetesimale.“ Die von den Forschern untersuchten Asteroiden zählen zu den sogenannten kohligen Chondriten – nahezu unveränderte Bruchstücke von Planetesimalen. Die ursprünglich identischen Umlaufbahnen der Asteroiden liefen mit der Zeit auseinander. Aufgrund der heutigen Orbits schließen Delbo und sein Team auf ein Alter der Gruppe von vier Milliarden Jahren.

Mit der neuen Entdeckung konnten Astronomen nun nahezu alle dunklen Asteroiden bestimmten Familien und damit Ursprungskörpern zuordnen. Die wenigen verbleibenden dunklen Asteroiden sind allesamt größer als 35 Kilometer, berichten Delbo und seine Kollegen. Da diese Himmelskörper offenbar keiner Familie angehören, handele es sich vermutlich um Mitglieder der ursprünglichen Population von Planetesimalen. Diese Beobachtung liefert wertvolle Hinweise auf die Entstehung dieser Himmelskörper.

Bislang gehen Planetenforscher traditionell von einem Koagulationsprozess aus: Staubkörnchen klebten zusammen und wuchsen durch Kollisionen zu immer größeren Gesteinsbrocken und schließlich zu Planetesimalen mit einer Größe von mehreren Hundert Kilometern heran. Neuere Modelle zeigen jedoch, dass auch ein alternativer Prozess möglich wäre. Demnach verklumpten die Staubpartikel in der protoplanetaren Scheibe um die junge Sonne direkt zu Planetesimalen – die Zwischenstufe kilometergroßer Objekte würde hier also entfallen. Um zu entscheiden, welches der beiden Szenarien korrekt ist, müsste die ursprüngliche Größenverteilung der Planetesimale bekannt sein.

Das gestaltet sich jedoch schwierig, da die meisten dieser Objekte entweder Planeten gebildet haben oder im Asteroidengürtel durch Zusammenstöße zu immer kleineren Himmelskörpern zerfallen sind. Die Ergebnisse von Delbo und seinen Kollegen geben nun wichtige Anhaltspunkte. Denn würden Planetesimale sukzessive durch Koagulation entstehen, wäre eine homogene Größenverteilung der ursprünglichen Population zu erwarten. Da jedoch alle dunklen Asteroiden, die man keiner Familie zuordnen kann, größer als 35 Kilometer sind, spreche das laut den Forschern dafür, „dass Planetesimale groß entstehen“.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2017/einblicke-in-die-fruehzeit-des-sonnensystems/