Zahlreiche Himmelskörper jenseits von Neptun

Rainer Kayser

Gesteinsbrocken in den Weiten des Weltalls, im Hintergrund leuchtet ein Stern

NASA Goddard

Im Rahmen eines Projekts zur Untersuchung der geheimnisvollen Dunklen Energie sind Astronomen auf 458 neue Himmelskörper im äußeren Sonnensystem gestoßen. Dazu haben sie Daten des Dark Energy Survey mit modernen Methoden wie etwa Maschinellem Lernen ausgewertet. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Astrophysical Journal Supplement“ berichten, fanden sie jedoch keine Hinweise auf einen weiteren großen Planeten jenseits von Neptun.

Im Zeitraum von 2013 bis 2019 hat das Blanco Teleskop am Cerro Tololo Inter-American Observatory in Chile mit einer Spezialkamera mehr als hundert Millionen Galaxien, Supernovae und großräumige kosmologische Strukturen wie etwa Galaxienhaufen beobachtet. Ziel dieses Dark Energy Survey war es, die Expansion des Universums zu untersuchen und so neue Erkenntnisse über die Dunkle Energie zu gewinnen. So bezeichnen Astrophysiker eine bislang mysteriöse Komponente des Universums, die dessen Expansion vorantreibt. Dazu hat die Kamera des Teleskops etwa ein Achtel des gesamten Himmels abgesucht.

Die Abbildung zeigt ein zylinderförmiges Gerät auf einem Labortisch

Kamera des Dark Energy Survey

„Doch wenn man Aufnahmen des Himmels macht, sieht man nicht nur das, was man sehen möchte, sondern auch Objekte, die sich zufällig in derselben Region des Himmels aufhalten, aber uns viel näher sind“, erklärt Pedro Bernardinelli von der University of Washington in den USA. Neben Flugzeugen und Asteroiden fanden die Forscher so auch zahlreiche transneptunische Objekte auf den Aufnahmen. Für diese Himmelskörper aus der Region jenseits von Neptun interessierten sich die Astronomen besonders. Denn hier befindet sich der Kuipergürtel – ein Bereich am Rande des Sonnensystems, in dem zahlreiche kleine Objekte aus der Entstehungszeit unseres Sonnensystems um die Sonne kreisen. Zudem ist bislang unklar, ob es dort draußen vielleicht weitere große Planeten gibt, die unentdeckt ihre Bahnen ziehen.

Mit verbesserten Methoden etwa des Maschinellen Lernens identifizierten die Forschern nun insgesamt 458 neue Objekte jenseits des Neptun in den bereits vorhandenen Beobachtungsdaten. Die Himmelskörper sind zwischen 30- und 500-mal weiter von der Sonne entfernt als unsere Erde und bestehen ähnlich wie Kometen überwiegend aus einem Gemisch von Eis und Gestein. Eine Analyse der ersten vier Beobachtungsjahre hatte bereits 354 solcher transneptunischen Objekte aufgespürt. Mit verbesserten Methoden und zwei weiteren Beobachtungsjahren erhöhten Bernardinelli und seine Kollegen die Gesamtzahl damit auf 812 – das sind etwa zwanzig Prozent aller bekannten Himmelskörper in dieser Region.

Aus der Verteilung der Umlaufbahnen der Himmelskörper jenseits der großen Planeten ziehen die Wissenschaftler bereits einen ersten Schluss auf die frühe Geschichte des Sonnensystems: Offenbar ist Neptun in dieser Zeit langsam nach außen in seine heutige Position gewandert und hat dabei viele kleinere Objekte nach außen geschleudert. In den Daten findet sich zudem kein Hinweis auf einen größeren Planeten, der die Bahnen der kleineren Objekte am Rande des Sonnensystems stören würde. „Wir finden kein entsprechendes Signal in den Daten“, so Bernardinelli. „Allerdings können wir die Existenz eines solchen Planeten nicht mit Sicherheit ausschließen.“ Dazu seien weitere Daten und eine möglichst lückenlose Erfassung der Himmelskörper jenseits von Neptun nötig.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/universum/nachrichten/2022/zahlreiche-himmelskoerper-jenseits-von-neptun/