Neuer Baustein für neuronale Computer

Jan Oliver Löfken

Das Bild zeigt eine Nahaufnahme einer elektronischen Schaltung.

Wavebreakmedia Ltd/Thinkstock

Computer schlagen mittlerweile die besten Schach- oder Go-Spieler der Welt. Doch an die Leistungsfähigkeit menschlicher Gehirne reichen sie bislang nicht heran. Ein neuartiger elektronischer Baustein – ein sogenannter Memtransistor – soll diese Lücke nun füllen. Er vereint die Schalteigenschaften eines Transistors mit den Eigenschaften eines Speichermoduls. Wie die Entwickler des neuartigen Schaltmoduls nun in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, kann der Memtransistor mit bis zu sieben weiteren Modulen verknüpft werden. Auf diese Weise ließen sich künftig womöglich auch komplexere Netzwerke ähnlich wie im menschlichen Gehirn konstruieren.

„Herkömmliche Computer nutzen voneinander getrennte Module, um Daten zu verarbeiten und zu speichern“, sagt Mark Hersam von der Northwestern University in Evanston. Die Neuronen im Gehirn können dagegen beide Aufgaben zugleich erfüllen. Genau dieses Ziel verfolgten Hersam und seine Kollegen nun mit dem Bau eines neuen Schaltmoduls. Für die Produktion des Memtransistors trugen die Forscher eine sehr dünne Schicht eines speziellen kristallinen Sulfids auf Siliziumdioxid auf. Mit lithografischen Methoden formten die Wissenschaftler filigrane Leitungskanäle in der Sulfidschicht und fügten insgesamt sieben Kontaktelektroden für die elektronische Kontrolle des Moduls hinzu.

Testmessungen zeigten, dass sich der Memtransistor einerseits wie ein herkömmlicher Transistor schalten ließ. Andererseits konnte das Team die Anordnung der Atome in der Sulfidschicht mit Spannungspulsen von bis zu 80 Volt gezielt verändern. Die so kontrolliert hergestellten Defekte in der Kristallstruktur führten zu schaltbaren Veränderungen der elektrischen Leitfähigkeit und eignen sich damit für das dauerhafte Speichern digitaler Daten. Mit weiteren Spannungspulsen waren die Wissenschaftler um Hersam in der Lage, den Speicher zu löschen und erneut zu beschreiben. Zudem beeinflusste ein Schaltpuls an einer Elektrode den Stromfluss an den sechs anderen elektrischen Kontakten. „Dank dieser Struktur mit mehreren Kontakten ähnelt der Aufbau den Neuronen in einem Gehirn, die ebenfalls über mehrere Verknüpfungen – die Synapsen – verfügen“, so Hersam.

In weiteren Experimenten könnten nun elektronische Netzwerke mit mehreren Memtransistoren entwickelt werden. Diese sollen einfache, an neuronale Netzwerke angepasste Aufgaben erfüllen. Komplexere Systeme könnten danach den Weg zu künstlichen Intelligenzen ebnen, die schneller als herkömmliche Computer verschiedene Muster erkennen oder einzelne Daten aus sehr großen Datensätzen herausfiltern können. Bislang erlaubte das von Hersam und seinen Kollegen genutzte Verfahren den Bau von einigen Dutzend Memtransistoren. Doch sind die Forscher davon überzeugt, dass sich diese Prozesse auch für die Produktion von Millionen solcher Memtransistoren optimieren ließen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2018/neuer-baustein-fuer-neuronale-computer/