Künstliche Synapsen entwickelt

Jan Oliver Löfken

Hand im Gummihandschuh hält dünne, silberfarbene Folie

Das menschliche Gehirn führt jede Sekunde etwa 10 000 Milliarden Rechenoperationen durch – und verbraucht dabei gerade einmal 20 Watt. Von dieser enormen Effizienz sind Supercomputer noch weit entfernt. Doch mit zahlreichen Ansätzen für künstliche neuronale Netzwerke tasten sich Forscher langsam an diese beeindruckende Rechenleistung heran. Nun entwickelten Wissenschaftler ein elektrochemisches Schaltmodul aus flexiblen, halbleitenden Kunststoffen. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature Materials“ berichten, benötigt ihr neuer Prototyp für grundlegende, nichtflüchtige Schaltprozesse nur noch wenige Pikojoule an Energie.

„Mit den verwendeten Materialien werden diese neuromorphen, organischen Module möglicherweise kompatibel mit lebenden Zellen“, sagt Alberto Salleo von der Stanford University in den USA. Mit seinen Kollegen konstruierte der Wissenschaftler ein elektrochemisches Modul, in dem verschiedene Ladungszustände die elektronische Leitfähigkeit beeinflussen. Zum Verändern der Ladungszustände waren nur extrem geringe Schaltspannungen von maximal einem Volt nötig. Dadurch entstanden Areale mit unterschiedlicher Leitfähigkeit, die jeweils für die nichtflüchtige Speicherung digitaler Basiswerte 0 und 1 geeignet waren.

Für ihre ersten Prototypen nutzten Salleo und Kollegen halbleitende Kunststoffe aus der Klasse der Polythiophene. Diese deponierten sie in hauchdünnen Schichten auf einer Unterlage aus Glas, die sie zuvor mit einer Lage aus leitfähigem Indiumzinnoxid beschichtet hatten. Mit schwachen, positiven Schaltspannungen verursachten die Forscher einen Fluss von positiv geladenen Ionen. Dabei bildeten sich in den geschichteten Kunststofflagen binnen einiger Millisekunden die gewünschten Ladungszustände aus und es kam zu einer nichtflüchtigen Veränderung der Leitfähigkeit. Mit negativen Spannungspulsen ließ sich dieser Prozess umkehren.

Dieser reversible elektrochemische Prozess konnte zum Schalten verschiedener Zustände genutzt werden. Salleo und Kollegen erkannten darin Parallelen zur natürlichen Signalleitung über elektrische Synapsen im Gehirn. Diese verknüpfen die Ionenkanäle von jeweils zwei Nervenzellen, zwischen denen über einen Fluss von Ionen elektrische Signale weitergegeben werden. Analog verursachte die angelegte Spannung in den künstlichen Synapsen das Schalten zwischen den verschiedenen Ladungszuständen.

Dieser grundlegend neue Ansatz für ein elektrochemisches Schaltmodul soll allerdings vorerst nicht zu einer neuen Klasse extrem effizienter Computer führen. Vielmehr haben die Forscher neuartige, neuronale Module im Blick, die mit intakten Nervenbahnen verknüpft werden könnten. In Zukunft halten sie es sogar für möglich, komplexe Netzwerke künstlicher Synapsen aus dreidimensional angeordneten Kunststoffschichten zu entwickeln. Diese könnten dann als Basis für vielseitige Schnittstellen zwischen Computer und Gehirn oder neuromorphe Rechner dienen. Ob und wann damit die überragende Leistungsfähigkeit menschliche Gehirne nachgestellt werden kann, lässt sich heute aber noch nicht absehen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/technik/nachrichten/2017/kuenstliche-synapsen-entwickelt/