Plastikkugeln unter Spannung

Jan Oliver Löfken

Die Abbildung zeigt Hunderte winziger Kugeln, die sich in einem symmetrischen Muster anordnen.

A. Sokolov et al./ANL

Gleiche elektrische Ladungen stoßen sich ab. Diesen physikalischen Effekt nutzten Forscher nun, um winzige Plastikkügelchen zu beeinflussen: Mit kurzen Spannungspulsen brachten sie einige Hundert solcher Partikel dazu, symmetrische Muster zu formen. Wie das Team in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ berichtet, ließ sich die Anordnung der Kügelchen über die angelegten elektrischen Felder gezielt steuern.

In ihrem Experiment verteilten Andrey Sokolov und seine Kollegen vom Argonne National Laboratory in Lemont die nur etwa fünf Mikrometer großen Kügelchen aus Kunststoff in einer elektrisch leitenden Flüssigkeit. Diese Suspension umschlossen die Physiker mit zwei durchsichtigen Plättchen, an die sie eine Spannung von wenigen Volt anlegten. Daraufhin luden sich die Plastikkügelchen elektrostatisch auf und begannen, auf das angelegte elektrische Feld zu reagieren: Die Partikel rotierten und bewegten sich mit einer Geschwindigkeit von knapp einem Millimeter pro Sekunde ungeordnet durch die Flüssigkeit. Diesen Effekt hatte der deutsche Physiker Georg Quincke bereits im Jahr 1896 entdeckt.

Die Forscher um Sokolov gingen nun jedoch einen Schritt weiter, indem sie die angelegte Spannung in regelmäßigen Abständen unterbrachen. Sobald das elektrische Feld wieder aktiv war, entfernten sich die aufgeladenen Kügelchen möglichst weit von den anderen Kügelchen in ihrer Nähe. Als Folge gruppierten sich die Partikel zunächst willkürlich, doch nach einer gewissen Zeit bildete sich eine kollektive Dynamik aus: Die Kügelchen ordneten sich mit jedem Spannungsimpuls erneut um und bildeten dabei symmetrische Muster wie beispielsweise Wirbel, Kreise oder sternähnliche Strukturen.

Die Form der Muster variierte je nach Länge der Spannungspulse sowie der Pulspausen und ließ sich mit Computersimulationen berechnen. „Die künstlichen Muster der Partikel können über die Dauer der Spannungspulse kontrolliert werden“, sagt Sokolov. Prinzipiell könnte das kollektive Verhalten nicht nur mit elektrischen Spannungen, sondern auch mit Lichtpulsen und magnetischen Feldern angeregt werden. Konkrete Anwendungen für diesen Effekt schlagen die Physiker noch nicht vor. Denkbar wäre aber etwa die gezielte Kontrolle von winzigen Teilchen in chemischen Reaktionsprozessen.

Zhang et al./APS

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2022/plastikkugeln-unter-spannung/