Wie Schneeflocken fallen

Jan Oliver Löfken

Schneelandschaft mit fallenden Schneeflocken in den Bergen, im Vordergrund eine Holzhütte

Olga Niekrasova/iStock

Wenn es bei eisigen Temperaturen zu schneien beginnt, ist das für viele Menschen das Sinnbild des Winters. Ehe die Schneeflocken – mal schneller, mal langsamer – zu Boden fallen, ziehen sie oft schwungvolle Bahnen durch die Lüfte. Wie sie sich dabei verhalten, haben Wissenschaftler nun mit einem eigens entwickelten Experiment untersucht. Zu ihrer Überraschung beschleunigen alle Flocken gemäß einer verblüffend einheitlichen Regel, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Physics of Fluids“.

Um Schneeflocken zu untersuchen, entwickelten Dhiraj Kumar Singh und zwei Kollegen von der University of Utah in Salt Lake City ein spezielles Messinstrument – eine deutlich erweiterte Variante eines sogenannten Distrometers. Diese Geräte nutzt man in der Wetterkunde, um die Menge und Art eines Niederschlags zu bestimmen. Nun ergänzten die Forscher ein solches Messgerät um je eine Kamera für Infrarotstrahlung und sichtbares Licht sowie einen grünen Laser. Mit dem Laser lassen sich die fallenden Schneeflocken beleuchten, die wiederum die Laserblitze reflektieren. Anhand dieser Reflexionen kann das Forschungsteam dann verfolgen, wie sich einzelne Schneeflocken bewegen. Zusätzlich misst das Gerät die Windrichtung, die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit.

Mit diesem Messinstrument reiste das Forschungsteam im Winter 2020/2021 in eine schneereiche Bergregion des Bundesstaats Utah. Mehrere Wochen lang analysierten sie Schneeflocken, die durch einen Messbereich von der Größe eines halben Schuhkartons fielen. Insgesamt sammelten sie so die – je nach Wind mehr oder weniger turbulenten – Flugbahnen von mehr als einer halben Million unterschiedlichster Schneeflocken.

Allgemeingültige Beschleunigungsformel für Schneefall

Von diesen Daten betrachteten die Forscher vor allem, wie schnell die Schneeflocken Richtung Erde fielen. Die Geschwindigkeit war umso höher, je höher die Dichte der einzelnen Flocken war. Diese Dichte ist für fluffige Flocken mit leeren Zwischenräumen geringer als für kleine, kompakte Schneekristalle. Zwischen 0,2 und 11 Kilometer pro Stunde waren die Schneeflocken schnell, als sie am Boden ankamen. Und je stärker der Wind blies, desto turbulenter und auch länger bewegten sie sich durch die Luft. Trotzdem zeigte sich eine Gemeinsamkeit zwischen allen Arten von Schneeflocken und Wetterbedingungen: Während sie zu Boden fielen, beschleunigten die Flocken in der senkrechten Komponente der Fallbewegung exponentiell; und zwar mit dem immer gleichen Exponenten von 1,5 – egal wie groß und wie sie geformt waren.

Eine Erklärung für diese verblüffende, offenbar grundsätzliche Regel haben die Forscher noch nicht. Doch sie vermuten einen Zusammenhang zwischen turbulenten Luftströmungen knapp über dem Boden und denen in höheren Luftschichten, wo Schneeflocken nach und nach wachsen. Solche detaillierten Einblicke in den Schneefall könnten auch für die Meteorologie bedeutsam sein. Da selbst Regen in warmen Regionen häufig aus geschmolzenen Eiskristallen in höheren, kalten Luftschichten hervorgeht, könnten diese Analysen sogar zu besseren Wettervorhersagen oder verlässlicheren Sturmwarnungen führen: „Denn die Geschwindigkeit eines Niederschlags beeinflusst auch die Bewegung und Dauer von Stürmen und die Ausbreitung einer Wolkendecke“, so der an der Studie beteiligte Garrett.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2023/wie-schneeflocken-fallen/