KI warnt schneller vor Tsunamis

Die automatische Analyse von akustischen Wellen kann Seebeben erkennen – und abschätzen, wie hoch die Gefahr für Menschen an den Küsten ist.

Jan Oliver Löfken

Wellen

Erlantz Pérez Rodríguez/iStock

Wenn Seebeben Tsunamis verursachen, kann ein gutes Warnsystem Leben retten – je früher die Warnung, desto mehr Menschen können sich in Sicherheit bringen. Daher gibt es in besonders gefährdeten Regionen wie dem Indischen Ozean bereits zahlreiche Sensoren, die die Ausbreitung von Erdbebenwellen, Wellenbewegungen und Wasserpegel an den Küsten aufzeichnen. Zwei Forscher haben nun ein weiteres Warnsystem entwickelt: Es nutzt akustische Wellen, die sich nach einem Erdbeben ebenfalls ausbreiten – und zwar deutlich schneller als Wasserwellen. Wie sie in der Fachzeitschrift „Physics of Fluids“ berichten, analysierten die Wissenschaftler mit einer künstlichen Intelligenz die Wellenmuster, um das Risiko für einen Tsumani genauer abschätzen zu können.

Solche akustischen Wellen werden schon länger erfasst: Die „Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen“ betreibt ein globales Sensornetzwerk zum Nachweis von Atombombenexplosionen – und auch Erdbeben. Empfindliche Sensoren, die Hydrophone, zeichnen dabei die Wellenmuster auf.

Vier verschiedene Landkarten, auf denen bestimmte Bereiche im Meer besonders markiert sind.

Analyse akustischer Wellen

Diese Daten auch zur Tsunamierkennung zu nutzen bringt einen entscheidenden Geschwindigkeitsvorsprung: „Akustische Wellen breiten sich durch Wasser sehr viel schneller aus als Tsunamiwellen“, sagt Usama Kadri von der Cardiff University in Wales. Sie erreichen Geschwindigkeiten von etwa 5500 Kilometern pro Stunde – sehr schnelle Tsunamiwellen bei 5000 Metern Wassertiefe kommen dagegen nur auf etwa 800. Daher kann die Auswertung akustischer Wellen – je nach Abstand zwischen dem Epizentrum eines Bebens und einer gefährdeten Küste – eine Vorwarnzeit von einigen Minuten herausschlagen.

Damit das System nicht allzu oft falschen Alarm schlägt, ist jedoch eine gute Klassifikation wichtig. Denn nicht jedes Erdbeben unter dem Meer erzeugt einen Tsunami. Kadri und sein Kollege Bernabe Gomez von der University of California in Los Angeles entwickelten daher einen Algorithmus, der auf Künstlicher Intelligenz basiert: Ein neuronales Netzwerk unterscheidet automatisch verschiedene Wellenmuster voneinander. Bewegen sich die Gesteinsmassen in der Bruchzone horizontal aneinander vorbei, ist das Risiko eher gering; Führt der Bruch dagegen zu einem senkrechten Versatz des Meeresbodens, wirkt er wie ein effizienter Wellengenerator. Dank diesem Unterschied könnten Fehlalarme deutlich verringert werden.

Ihr System wandten die beiden Forscher auf vier vergangene Beben zwischen 2009 und 2013 an. Tatsächlich gelang es der automatischen Mustererkennung innerhalb von etwa 20 Sekunden, nicht nur Ort und Stärke sondern auch die Charakteristik der vier Seebeben zu bestimmen.

Neben bestehenden Sensornetzwerken und Satelliten tragen die beiden Forscher so einen weiteren Ansatz zur schnellen und zuverlässigen Tsunamiwarnung bei. Zunächst aber müssen sie das System weiter trainieren: Denn nur mehr Datensätze vergangener Seebeben können die automatische Mustererkennung verbessern, um akustische Wellen noch genauer zu beurteilen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2023/seismologie-ki-kuenstliche-intelligenz-warnt-schneller-vor-tsunamis/